Erſtes Kapitel. Stellung der katholiſchen Kirche zur Folter. 143
Die Unzuverläſſigkeit und Trüglichkeit auf der Folter gegebener Bes
fenntniſſe wurde in der Mitte des 15. Jahrhunderts durch einen der
berühmteſten Männer ſeiner Zeit erkannt und nahgewieſen: Johannes
Capiſtranus. Er war Richter in Peruggia, zur Zeit des Königs
Ladislaus von Neapel. Sein Biograph Salvator Maſſonius gibt eine
Nachricht , welche er als Jüngling von alten Leuten erfahren haben will,
die alſo lautet: „Nicht ſelten kam der Fall vor, Angeklagte torquiren zu
müſſen, weil ſie niht bekannten. Aber das ſo erzwungene Bekenntniß
ſchien ihm niht ſicher und zweifellos zu ſein. Um darüber ins Reine zu
fommen, verfiel er auf folgendes Mittel. Er nahm aus dem Stalle
heimlich eine Pferdedede und verbarg ſie. Darauf gab er dem Knechte
den Befehl, zu ſatteln. Dieſer jammert, daß die De>e fehle. Sein Herr
fährt ihn hart an als den Dieb und nach vielen vergeblichen Drohungen
verurtheilt er ihn zur Tortur. Cine Zeit lang ertrug er den Schmerz,
doh bei längerer Dauer bekennt er ſi< als jehuldig und bezeichnet den
Drt des Berftedes. Da das Aufjuchen vergebens blieb, wurde er abermals
torquirt. Endlich geſteht er, dieſelbe einem Gewiſſen verkauft zu haben.
Dem gefolterten Knechte wurde endlih die Sache aufgeſchloſſen, eine
Schadloshaltung gewährt, und darauf Niemand mehr torquirt 1), “
€3 ift hervorzuheben, daß Mafjonius diefe Erzählung allein berichtet,
wodur< deren Glaubwürdigkeit vermindert erſcheint; allein in der Sache
ſelbſt liegt kein Grund zum Zweifeln. Thatſache iſt es aber, daß dieſe
Biographie des Maſſonius 1677 in italieniſher Sprache erſchien , und
Urban VIII. gewidmet war.
Jn Deutſchland war es dem berühmten Domprediger Geiler von
Kaiſersberg vorbehalten, im Jahre 1501 dem Rath von Straßburg
eine Beſchwerdeſchrift zu überreihen, worin unter Anderem geklagt wird,
daß Jnhaftirte on gnugſam anzeugungen uffgezogen werden, gemartret,
an irem leib und lumbden geſ<hediget, nit nah ordenung der re<hten, und
darnach geeydiget, daß ſie nit ſollend ſagen, wie fie aljo unrechtiglic) ges
handelt ſind worden und unbillige urfehten (Urpfehden) von inen gefor-
dert, deshalben ſie alſo rehtloß geſtellt werden und gewaltiget; ſol nit
ſin. Es iſ klorlih geſezt in rehten us was zeihen man vor ſoll rez
tiglichen erkennen, ob einer uff zu ziehen ſige oder nit; wiſſend die gelerten
im keyſerlihen re<hten. Desglichen ſtatut, gewohnheit und ordenung die-
jer Stat ſollen geſeyt werden no< gotlichen, chriftlihen, bebftlien
und feiferlihen rechten, daß man fie meniglichen dar offnen und an bie
ſon loſſen kummen, als die von Nurenberg gethon haben 2).
Die größte DVerantwortlichkeit für Tortur und Hexenproceß hat man
1) Bolandiſten October 10. Band.
2) Dacheux, die älteſten Schriften Geilers, Freiburg 1882 S. 38—39,