Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

  
  
148 Erſter Theil. Drittes Buh. Die Folter oder Tortur. 
nachdenke, was ih diesfalls hin und wieder geſehen, geleſen und gehört 
habe, ich anders nicht urtheilen kann, als daß dabei offtemals und faſt 
insgemein, der Unſchuldige mit eingefliht und in die Gefahr Leibs und 
Lebens gezogen wird, und wel<he unſer liebes Deutſhland ſo voll Zau- 
berer maht und daſſelbig mit unerhörten Laſtern erfüllet , und zwar 
nit Deutſchland allein, ſondern au<h andere Nationes und Kinder, jo= 
fern ſie nur den Proceß und die Folter zur Hand nehmen und das 
umb na<folgenden Urſachen willen“. Hierauf folgen die 16 Gründe, 
welche gegen die Anwendung der Tortur ſprehen und deren Gewicht 
Schwer in die Wagſchale fällt. 
Der proteſtantiſche Rechtslehrer Jacob Brunnemann ſchreibt 1727 
über den Verfaſſer der cautio criminalis: Es ſei um die Hälfte des 
vorigen Jahrhunderts Einem na< dem Andern die Augen aufgegangen 
und hat alſonderlih ein Autor-Anonymus eine cautionem criminalem 
heraus3gegeben, in welcher er ſi< ſo beſcheiden als vernünftig und gelehrt 
aufgeführt und die meiſten Tndicia, woraus man gewöhnlih eine Zau- 
berei erzwingen wollte, als ſ{lüpfrig, falſ<h und ungewiß angegeben 
und erwieſen. Wenn dieſer Autor ein Päpſtler aus dem Jeſuitenorden, 
Namens Henricus Spee, wie aus Herrn Prof. Ludovici zu Halle notis 
über die peinl. Hal3gerihtsordnung Carls V. zu ſehen, ſo muß ih ge- 
ſtehen , daß dieſer Papiſt alle proteſtantiſchen Jure- Consultos ſeiner 
Zeit damit befhämt, indem kein Einziger ſo verſtändig von dieſen 
Kennzeichen raiſonniret 1). 
Ein gleichzeitiger römiſcher Theologe Antonius Diana, Regularkleriker 
aus Palermo, hat in ſeinen »Resolutiones practicae«?) über die Tortur 
folgende Grundjäße gelehrt: 
„35. Die Art zu foltern rite ſih na<h der Beſchaffenheit der Per- 
ſon. 36, Es kann der Angeklagte von der Jnſtanz der Tortur appel= 
liren, und der Appellation muß Folge gegeben werden, es ſei denn, ſie 
ſei frivol und verleumderiſh. 37. Wenn der Angeklagte unter 25 Fah- 
ren ſteht, muß ihm ein Anwalt gegeben werden, und ein Bekenntniß ohne 
Anwalt, wenn auh gütlih und ſelbſt beſ<hworen , hat keine Geltung. 
38. Wer ſein Verbrechen eingeſtanden hat, darf niht gefoltert werden 
ſeiner Mitſchuldigen wegen, außer wenn ein halbgültiger Beweis vorliegt, 
daß er ſolche habe; doch muß dieſe Tortur leichter fein, als die wegen 
ſeinem eigenen Vergehen. 43. Ein Mitſchuldiger bewirkt keinen halb- 
gültigen Beweis oder hinreihenden Grund zur Tortur, wenn niht andere 
1) Brunnemann, Discurs von betrüglichen Kennzeichen der Zauberei. Halle 
1727, Vorrede 8. 9. Spee wünſcht Abſchaffung der Folter Ib, 29. 
2) Antwerpen, 1651. Das Privilegium Philipps 11. von Spanien, datirt 
Brüffel 1647. 
  
 
	        
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