Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

Zweites Kapitel. Stellung de3 Proteftantismus zur Folter. 155 
Nur ein Ausſpruh Luthers gegen die Folter wird aus feinem Briefe 
gegen Albre<ht von Brandenburg, Kurfürft von Mainz, beigebraht und 
die Griminaliften, wie Tabor und Zieriß, als ein goldenes Ariom geprie- 
jen!), „Wo man die Wahrheit anderweitig erforſhen kann, darf man 
von Folter niht anwenden, um Gott niht zu verſuchen.“ 
Luther war ein entſchiedener Gegner des canoniſchen Rechtes. Bes 
kannt iſt jenes Autodafe vor dem Elſterthore zu Wittenberg 1520, bei 
welchem er das canoniſhe Reht ſammt der Bulle Leos X. dem Feuer 
überlieferte. „Das römiſche Recht, ſo ſchreibt er ſpäter, iſ beſſer und 
ehrlicher, denn jenes der vermeinten Chriſten. Es wäre gut, das geiſtlich 
Recht vom erſten Buchſtaben bis zum lehten würde von Grund audge- 
tilgt). “ Bluntſchli hat daher Recht, wenn er ſagt: ſowohl die reformas 
toriſchen Theologen, als au< die Juriſten mißtrauten der herkömmlichen 
Ueberlieferung und der bisherigen Schule; fie wollten die gereinigte 
Religion und das gereinigie Reht unmittelbar aus den urſprünglichen 
Quellen, jene in der Bibel, dieſe in corpus juris ſ{höpfen®?). Ganz 
anders war die Stellung der Päpſte gegenüber dem römiſchen Rechte, 
welche mehr dem nationalen nnd kir<hlichen Rechte Vorſchub leiſteten, wie 
wir bereits bei Papſt Nicolaus 1. erwähnt haben #). 
Wohl die eifrigſten Beförderer des römiſchen Rechtes waren die 
proteſtantiſchen Fürſten. Wie ſie auf Grund der Bibel ihre geiſtige Ge- 
walt über ihre Unterthanen begründeten, ſo ſ<höpften ſie aus dem römis 
ſchen Rechte die Fülle der Gewalt in civilen Sachen und dehnten dieſe 
aus bis zum vollendetſten Staats - Abſolutismus. Niemals hat in der 
deutihen Nation die Staatsomnipotenz ſolhe Erfolge errungen, als 
im Reformations3-Zeitalter. So wurde auh die Foltex in proteſtantiſchen 
Gebieten mit großem Eifer angewandt. Die Folter wurde von prote- 
ſtantiſchen Fürſten in Staatsproceſſen ergiebig und grauſam angewendet, 
da war weder Milde, no< Menſchlichkeit, noh Gerechtigkeit. Ein Beiſpiel 
der Art finden wir in dem Schickſale des Juden Lippold, welcher dem 
Brandenburger Hofe in Geldgeſchäften Dienſte geleiſtet und ſih ein Ver- 
mögen erworben hatte. Er wurde beſchuldigt, den Kurfürſten Joachim 
vergiftet zu haben. Nach langer und graufamer Folter war nidht3 aus 
ihm herausgebraht worden. Endlich entde>te man bei ihm ein Zauber- 
bug. Das war ein neues Indicum. Man gab vor, durch) Zauberkunft 
habe er des Lebenden Gunſt fi verihafft. Deshalb folgten neue und 
1) Bernh. Zieritzii, Notae ad Carol. V. Const. Crim. ©. 62. cap. 45. 
Frankfurt a. M. 1676. 
2) Luthers Werke von Jrmicher. LXII. 228. | 
3) Bluntſchli , Badiſche Ueberſchau für Geſeßgebung und Rechtswiſſenſchaft. 
Bd. 6, S. 57. — 4) Janſſen I, 481. 
  
  
 
	        
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