Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

  
  
166 Erſter Theil. Drittes Buh. Die Folter oder Tortur. 
niß des Verbrechers zu verlangen, verträgt fi niht zuſammen. Die 
Folterſtürmer werden es bald einſehen lernen, daß ihre Weichherzigkeit 
zu weit geht. Die Folter halten und fie nur im Nothfalle gebrauchen, 
wo unendlich viel daran gelegen ift, die Wahrheit zu erfahren, ift ein 
Huger Mittelweg, auf dem man am ſicherſten gehen wird.“ 
Somit beſtätigt Schwager , was bereits Thomaſius ausgeſprochen 
hatte, daß nämlich) nad) der Reformation, fonderlich bey denen Luthera- 
nern und unter denen Juriſten, ſonderlih bey denen Sächſiſchen Rechts=- 
gelehrten, diefe einmahl eingewurzelte Meinung fi) jo vefte gejeket, daß 
man fi nicht vermundern muß, wenn biefelben auch bishero der Wahre 
heit am längſten widerſprochen !). 
Der celliſhe Prediger Sigismund Hosmann {rieb im Jahre 1718 
eine Schrift gegen die eifrigen Belämpfer der Tortur Bernhardi und 
Schaller, indem er ſi< ſowohl auf die heilige Schrift, als auf die Bei- 
ſpiele fremder Staaten beruft ?), 
Martin Bernhardi hatte unter dem Vorſißge von Thomaſius eine 
Diſſertationsrede gehalten, worin er na<zuweiſen ſuchte, daß die Tortur aus 
dem chriſtlichen Forum verſhwinden müſſe. Desgleichen hatte Schaller einen 
Vortrag gehalten, daß die Tortur in <riſtlihen Staaten niht zu dulden 
ſei, Endlich hat Auguſtin Nikolaus eine moraliſche und juriſtiſhe Abhand= 
lung verfaßt über die Frage, ob dur< die Tortur die Wahrheit bei Ver- 
brehen an das Lt gebraht würde. So mehrten ſi< im 18. Jahr- 
hundert die Stimmen im Lager der Juriſten, welhe die Tortur ver- 
warfen. 
Eine gründliche Widerlegung aller Einwendungen für Beibehaltung 
der Folter wurde dur< den Geheimrath und Rechtsgelehrten Joh. Lud- 
wig Wiederhold verfaßt und publicirt zu Weblar, ohne Angabe der 
Sahreszahl, unter dem Titel: „Betrachtungen des Menſchen und Chriſten 
über die bisher übliche peinliche Frage oder Tortur. Zur unpartheiiſchen 
Beurtheilung den Kriftlicden Staaten in Europa gewidmet.“ 
Jn neun Kapiteln wird der Gegenſtand behandelt. Das erſte be= 
ſpricht die verſchiedenen Gattungen der Folter. Das Bild, welches der 
Verfaſſer von den Greueln und Peinigungen bei der Folter vorführt, ift 
haarſträubend. Er jchließt dies Kapitel mit der Verſicherung, daß der 
eigentliche Verbreher die Folterqualen überſtehen könne, ein Unſchuldiger 
faſt nie, und darum die Folter zu verwerfen ſei. 
Das zweite Kapitel verbreitet fich über den Urſprung der Folter. 
1) Fohann Webſter, Unterſuchung der vermeinten und ſogenannten Hexe- 
xeyen. Vorrede S. 18. 
2) Zeitſchrift für deutſche Cultur. Jahrg. 1859. ©. 693. 
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