Zweites Kapitel. Stellung des Proteftantismus zur Folter. 167
Manche führen die Einführung der Folter auf Tarquinus Superbus
zurüd, ein Anderer, Polydor Virgilius, auf Nimrod, und Nicolai in ſeinem
Werk über die Tortur Kapitel 4 läßt ſie mit mehreren anderen erfunden
ſein vom Satan, dem Vater der Lügen. Jm dritten Kapitel wird
unterſu<t, ob die Tortur in Gottes Wort begründet ſei. Es wird dieſes
mit Berufung auf Schilter und Thomaſius geleugnet. Das vierte Ka-
pitel behandelt die Frage, ob die Falter in der Vernunft begründet ſei,
weil Vernunft und Schrift denſelben Urheber haben, nämli<h Gott. Au
dieſes wird verneint, weil die Folter ihren Zwe> niht erreiht. Sehr
unvernünftig ſei es , die Unterſuhung über ein Verbre<en in die grau-
ſamſte Strafe zu verwandeln. Der genannte Auguſtin Nicolai ruft des3-
halb in der gedahten Schrift aus, was kann es unmenſchlicheres, von den
éhriſtlihen Sitten abweichenderes geben, als einen zweifelhaften Verbrecher
auf’3 graufamfte zu torquiren! Das fünfte Kapitel bringt die Hauptfrage,
aus wel<hen Urſachen eine chriſtliche Obrigkeit die Folter bei den peinlichen
Gerichten gänzlich abſchaffen ſolle. Die Gründe ſind, weil fie der heiligen
Schrift, der Vernunft und der <riſtlihen Sitte ſ<nurſtra>s zuwider ſei.
Ferner wegen der unterlaufenden Grauſamkeiten und des unſicheren
Erfolges, indem nämli<h dur die Folter unzählige Unſchuldige im Feuer
umgekommen ſind. So wird zum Beiſpiel in dem Jahre 1707, nah
Profeſſors Horn aus Wittenberg Bericht, eine Unſchuldige verbrannt. Das
Kapitel E ſtellt die Motive zuſammen , welhe man gewöhnlih gebraut,
um die Folter zu vertheidigen. Die hauptſächlihſten waren, das vorge-
\hriebene Recht und die Vermehrung des Verbredertfums bei Abſchaffung
derſelben. Jm nächſtfolgenden ſiebenten Kapitel werden dieſe Gründe wider-
legt. Wie man die Ordalien abgefchafft habe wegen ihrer Mängel, ſo
ſolle man auch die no< trügeriſhe Folter in die Rumpelkammer werfen.
Jm 8. Kapitel wird die Frage erwogen, ob ein Landesherr aus eigener
Machtvolltommenheit die Folter wieder abjehaffen könne; fie wird mit Be-
rufung auf anerkannte Auctoritäten bejaht. Endlich) im 9. Kapitel wird
die Frage unterſu<ht, was denn zu geſchehen habe, wenn ein mit ſ{hwe-
rem Verdacht Belafteter in Güte nicht geſtehen wolle und dur< andere
Beweiſe nicht überführt werden könne. Der Verfaſſer ſ<hlägt für dieſen
Fall den perſönlichen Eid vor. Seien keine andere Beweismittel vorhan-
den, ſo müſſe man ihn eben dem göttlichen Richter überlaſſen, eine Ver-
bal- und Neal-Territion fünne man mit Nutzen anwenden. Als beſon-
deres Vorkehrungsmittel zur Verhütung von Verbrechen ſei eine gute
Polizei-Ordnung , wie die Frankfurtiſhe von 1577 und die des ſ{hwäbi-
ihen Kreiſes von 1720.
Es iſt keinem Zweifel unterworfen, daß das hier in Rede ſtehende
Buch von großem Einfluſſe war, zumal, da es an jenem Orte erſchien,