Diertes Bud.
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I. Die Erklärungsnerfude.
Heber keinen Gegenſtand ſind mehr Unterſuchungen gepflogen worden,
als über die Hexenproceſſe.
Außer einer generellen Behandlung dieſer Frage dur<h Soldan-Heppe
und Roskoff beſchäftigen ſi<h viele Publicationen mehr mit Local- und
Territoriale-Forihungen, ohne jedoch die Hauptfrage: „wie ſind die Hexen-
proceſſe entſtanden,“ zu umgehen. Kein Forſcher kann nämlich die Frage
ignoriren : „Wie war es möglih, daß in einem Zeitraume von 200
Jahren Millionen von Menſchen dem ſchaurigen Feuertode überliefert
wurden auf die einzige Anklage hin, daß ſie Zauberer oder Hexen ſeien ?“
Es laſſen fih in den Erflärungsverfuden vier Richtungen unters
ſcheiden, gleihſam ebenſo viele Syſteme, wel<he aufgeſtellt wurden,
um eine endgiltige Löſung zu finden. Mit dem geläufigeren Worle
„Schule“ bezeichnet, ergibt ſi< folgende Eintheilung :
I, Die hiſtoriſhe Schule. Sie erklärt die Hexenproceſſe als
das Reſultat vorausgegangener und gleichzeitiger Zuſtände des geiſtigen
Lebens der Völker. Nach ihr ſind diefe Herenverfolgungen die Wirkung
einer mangelhaften Geiſtesbildung, welche aus dem Heidenthume ſtammt
und als Aberglaube bezeihnet wird, die aber auh im Chriſtenthume
fortwuchert und namentlid) in den Segereien des Mittelalters ihre Aus-
läufer fand. Hiernach zerfällt die Hiftoriiche Schule in 2 Gruppen:
a) Jene, welche die Hexenprocefje in Verbindung bringt mit dem
altheidniſhen Aberglauben und Zauberweſen , ſpeciell mit dem altgerma=
niſchen Hexenglauben, wie z. B. Jacob Grimm, Mone, JF. M. Shader,
Jarke, Schreiber, Schneider , in deſſen „Geiſterglaube‘ 1882, Schindler,
Simſon; Horſt in ſeiner Dämonomagie Bd. 1, Schluß.
b) Eine zweite, welche die Kezereien des Mittelalters und deren
Verfolgung dur die Jnquiſition als Erklärungsgrund für die Ent-
ſtehung der Hexenproceſſe anſehen will. So Bayle, theilweiſe Hauber,
Carl Haas, Auguſt Villmar, und jüngſt Rhamm (1882) und Dr. Fried-
ri< Leitſhuh (1883).