174 Erſter Theil. Viertes Buh,
ſelbſt, und wir beſtrafen den Mann mit dem Tode, welcher Vieh verzaubert
oder den Regenfall hindert.“ So unſer Gewähr3mann !),
Wenn ein ungewöhnliches Unglü> eine Familie triff und dieſe be-
Ihmören kann, daß es die Folge der Kunſt des Zauberers ſei, ſo bildet
fih alsbald ein unbarmherziges Ricktercollegium, und e3 erwartet jene ein
Schidjal, wie e3 die Hexen in den dunkelſten Zeiten von Neu-England
erfahren haben. Jn dieſen afrikaniſchen Wäldern findet fi hinreichend
dürres Holz, und der Unglüdliche ſtirbt den Flammentod?),
Dr, Rünzinger in feinen „Bildern aus Oberegypten“: „Großen Ein-
fluß übt der böſe Bli>. Wenn einer Ziege die Mild) fodt, dann erinnert
man fi, daß es eintrat, als eine alte Frau das Haus betrat, deren
Blik verdächtig ſchien.“ Das iſt dieſelbe Vorſtellung, wie fie bei uns in
Deutſchland herrſchte zu Zeiten des 30 jährigen Krieges.
Demſelben Aberglauben begegnen unſere Miſſionäre bei den Völkern
Aſiens und Polyneſiens. Er iſ troh des geprieſenen Fortſchrittes und
der Schulbildung bei und nod) nicht ausgeſtorben; er herrſht in den
niederen, ſogar theilweiſe bei den gebildeteren Volksklaſſen. Selbſt in der
Metropole der Jntelligenz und des Fortſchritts, in Berlin, gedeiht der
Aberglaube vorzüglih. Daß es heute noh Buchhandlungen gibt , welche
ibergläubifche Schriften verlegen und verbreiten, iſ ein doppelt betrüben=
des Symptom, einmal, weil ſi< no< ſolche Verleger, wie z. B. jüngſt in
Reutlingen, und zweitens, weil fih noch für derartige Dinge Abnehmer
finden. Dieſer Glaube an die Exiſtenz der Zauberei, der Hexenfahrten,
des Umgangs mit dem Satan, der Sachbeſchädigung hat auf die Hexen-
proceſſe inſofern einen großen Einfluß ausgeübt, als er deren hartnädige
Fortdauer, troßh vielſeitiger Bekämpfung, begünſtigte und unterftüßte.
Er hat aber die Hexenproceſſe ebenſowenig eingeführt, als er ſie beſeitigt
hat. Dieſer Hexenglaube alſo beſtand vor, neben und na< den Hexenver-
folgungen des 16. und 17. Jahrhunderts und iſt zur Stunde noh niht
verſhwunden.
Auch der ſubjective Glaube an die eigene Hexerei, ob nun dur
Genußmittel (narfotiſhe Getränke) oder dur<h Reizmittel (Hexenſalbe) er-
zeugt, kann die Herenprocefje unmöglich hervorgerufen haben. So wenig
als heute ein Dynamitverſhwörer oder ein Meineidiger ſih ſelbſt denun-
cirt, um ſeine Verurtheilung zu betreiben, ſo wenig werden die Hexen \ih
ſelbſt dem Richter geſtellt haben. Bli>t man freilih auf die Zuftände
jener in Frage ſtehenden Jahrhunderte, welche dur religiöſe, ſociale und
politiſche Revolutionen erſchüttert waren, ſo iſt es nur zu begreiflich, daß
1) „Wie i< Livingſtone fand“ IL. 167.
2) Daſelbſt S. 247. cf. Dr. Holub I. 419. An der Nabe vertreibt der Blid
des falſhen Juden heute no< den Kühen die Milch.