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176 Erſter Theil. Viertes Buch.
an Gott und der Menſchheit zu rähen. Als den getreueſten Ausdrud
dieſer Volksſtimmung, zugleich auch als ein ſymptomatiſches Zeichen jener
Zeit, halten wir die bekannte Fauſtſage!). Sie iſ das ähte Kind
jener Zeit, in welcher der Menſch lieber mit dem Satan pactiren, als
dem dreifaltigen Gotte dienen wollte. Sie ift der rihtige Typus jener
Geſchichts-Periode, welcher ſie entſtammt. So ſind uns die zahlreicheren
Fälle von Perſonen, welche an ihre eigene Zauberei reſp. ihren Pact mit
dem Satan glaubten, nicht überraſchend. Dieſe Erſcheinungen find zu ers
klären für ſih; aber den Hexenproceß erklären fie niht, vielmehr fin-
det ſih dieſe Erklärung allein in der mangelhaften Gerichts-Organiſation.
IT. Dex Hexenproceß, der legitime Sohn der
Inrisprudeng.
Schon dur das Wort „Herenprocejfe* find wir auf die Furis-
prudenz hingewieſen. Männer, deren Autorität in der juriftiihen Welt
niht gering ift, vertheidigen und vertreten dieſe Anſicht.
So vor allem G. von Wächter. Er ſchreibt: „Wir würden in
unſerer Zeit noh ebenſoviel Hexen finden und verbrennen können als in
jenen Zeiten, wenn wir dasſelbe Mittel, ſie zu finden, bei uns no< an-
wenden wollten. Das Mittel war einfach, ſicher, und fchnell zum Ziele
führend. E3 mar die unfinnigfte Ausgeburt menfchliher Verwirrung, die
Folter 2),
Der Beginn der Hexenproceſſe fällt ſo ziemlih mit der Zeit zuſam-
men, in welcher man im Abendlande das alte heimiſche Gerichtsverfahren,
gegründet auf Anklage, öffentliche Verhandlung und Schöffeniprud, mit
dem römischen Recht vertauſchte 2).
Die Einführung dieſes römiſchen Rechts geſchah gegen Ende des XV.
Jahrhunderts. Dieſelbe wurde angebahnt und vorbereitet dur<h Zulaſſung
römiſcher Rechtslehrer an den Univerſitäten, ſowie dur< Verwendung der-
ſelben in den Kanzleien der Regierungen. Unter Kaiſer Maximilian waren
ſie ſchon einflußreih, und reifte bereits der Plan, eine allgemeine „Reichs=
Rechtsordnung“ einzuführen. Bis dahin beſtand no< in allen deutſchen
Gauen das alte germaniſche Recht, ein Volksrecht, theils Stadts, theils
Gaurecht, deſſen Verfahren auf Anklage, Zeugenbeweis, auf dem öffentlichen
1) Carl Engel, Boltsihaufpiel. Dr. Johann Fauft Oldenbug 1874. S. 19,
2) Zur Geſchichte des deutſchen Strafrehts S. 96.
3) Geſchichte des deutſ<hen Volkes von Johannes Janſſen. 8. Auſlage. I. Bd.
473—503, Kapitel, „Die Einführung des römiſchen Rechtes.“