Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

IL. Der Hexenproceß, der legitime Sohn der Jurisprudenz. 177 
und mündlichen Verfahren vor den Schöffen der Stadt des Gaues oder 
Ortes beruhte. Die Urtheilsiprüche bafirten auf dem traditionellen Ge- 
wohnheitsre<te, den Stadtrechten, oder auf dem geſchriebenen Rechte des 
Sachſen- und Schwabenſpiegels. Obwohl auch dieſe Geſeße die Zauberei 
unter die gemeinen Verbrechen ſtellten und mit dem Feuertode beſtraft 
wiſſen wollten, jo iſt doh die Seuche der Hexenproceſſe unter ihrer Herr- 
ſhaft niht aufgekommen, zum klaren Beweiſe, daß das germaniſche Ret 
die Eniſtehung der Hexenproceſſe niht zu verantworten hat !). 
Ebenſowenig das kanoniſche oder kir<lihe Recht. 
Auch dieſes Recht verpönt die Zauberei als Sünde und Laſter. 
Es fann die Hexenproceſſe, namentli<h in Deutſchland, niht hervorgerufen 
haben, indem die proteſtantiſchen Reichsſtände, welche am meiſten Hexen 
verbrannten, dasſelbe gar niht anerkannten, und Luther dasſelbe befannt- 
lich vor dem Elſterthore zu Wittenberg 1520 feierlih verbrannt hatte. 
Seinen officiellen Einzug in's deutſche Reih hielt das römiſche Recht 
unter Carl V. durch die Einführung der fogen. „Carolina“ oder der „Pein- 
lichen Halsgeriht8ordnung“ von 1532. 
Schon auf dem Reihstage zu Worms 1521 war der Antrag auf 
Einführung einer Rei < sre<ts- Ordnung angenommen worden, zumal 
einzelne Territorialhoheiten bereits mit der Particular - Geſeygebung vor- 
gegangen waren. Es war 1510 die bambergiſ{<e Criminalordnung 
mit 278 Artikeln erichienen. Jhr folgte 1516 die brandenburgiſche 
in 277 Artikeln, verfaßt dur<h den Juriſten von Schwarzenberg, zu dem 
Zwe>e „der eingeriſſenen Unordnung und dem Mißbrauch zu ſteuern“. 
Dieſe brandenburgiſche Criminalrehts-Ordnung und die Carolina ſind 
als Töchter der bambergiſchen zu betrahten. Die Carolina hat 229 Ar- 
tikel. Nach ihr erſchien noh die heſſiſ<he von 1535. in 153 Artikeln. 
Noch ſpäter kamen hinzu: die ſä<hſiſhe von 1572; das furpfälziiche 
Landre<ht 1582; das badiſche Landre<ht von 1588. Diefe richten id) aber 
in ihren Strafbeſtimmungen ganz nach der Carolina, oder verſchärfen deren 
Beſtimmungen, wie die ſächſiſche. 
Die Carolina hat nun, ohne es zu beabſichtigen, die 
Grundlage für die Hexenproceſſe geſchaffen. Das ergibt ſi<h aus 
ihrer Anlage und ihrem Jnhalte. Die $$. 1—44 behandeln die 
1) Horft, Dämonomagie II. 417, läßt die Folter mit dem „römiſchen Recht“ 
eingeführt werden. Daſelbſt iſt die nöthige Literatur angegeben. Klagen gegen die 
römifchen d. 5. altheidnijchen Nechtögelehrten findet man jchon früher z. B. bei 
Cäſarius von Heiſterbah, Trimberg in feinem „Renner“ 1300. K. Unkel: Ber- 
thold von Regensburg. S. 100. 
Diefenba<, Der Hexenwahn. 12 
 
	        
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