Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

  
  
  
  
  
  
  
178 Erſter Theil. Viertes Buch. 
Andicien für das Vorhandenſein einer Frevelthat. Der $. 22 ift be- 
ſonders folgenſchwer. 
Er lautet: 
„Auf blos Anzeichen oder Argwohn, Wahrzeichen hin oder Verdacht, 
ſoll niht zur peinlihen Straf, ſondern zur peinlihen Frag (Tortur) 
verurtheilt werden. Soll aber Jemand zur peinlihen Straf verurtheilt 
werden, ſo kann es nur auß eigenem Bekennen oder Beweyſung be- 
\{hehen und niht auf Vermuthung oder Anzeigung.“ Eine verhängniß- 
volle Veſtimmung! Der $. 44 endlih beſtimmt die „genügende“ Anzeigung 
(Indicien) „Jtem ſo Jemand fi) erbeut andere Menſchen Zauberei zu 
lernen, oder Jemand zu bezaubern bedrohet «und dem Bedrohten derglei- 
hen geſchieht, au< ſonderlih Gemeinſchaft mit Zauberern oder Zau- 
berinnen hat; oder mit ſolchen Verdächtigen Dingen, Geberden , Worten 
und Weiſen umgeht, welche Zauberei auf fih tragen und dieſelbig 
Perſon ferner auh ſonſt bezüchtigt iſt; das gibt ein redlih Anzeigung 
der Zauberei und genügſame Urſa zur peinlichen Frag.“ Nachdem 
ſo die Natur und der Umfang der „genügenden“ JFndicien feſtgeſtellt iſt, 
handeln 88. 45—61 von der peinlichen Frag oder Tortur (Folter). 
Von dem „Zeugenbeweis“ ſprehen $$. 61—80 ; von dem Urtheilſprechen 
die 88. 81—104; von den Strafen die $$. 105—229. 
Der unter den Strafbeſtimmungen hier maßgebende Paragraph iſt 
der $. 109, welcher lautet: „Jtem ſo Jemand den Leuten Schaden oder 
Nachtheil zufügt, ſoll man ſtrafen vom Leben zum Tod und man ſoll 
ſelbig Straf mit dem Feuer thun. So aber Jemand Zauberei gebraucht 
und damit Niemand Schaden gethan hat, ſoll ſonſt geſtraft werden nah 
Gelegenheit der Sah.“ Durch die $8. 22, 44, 52 und 109 ift ber 
ganze Apparat der Hexenproceſſe in's Leben gerufen. Es fehlt nur das 
Fndicium, das „genugſam“ Anzeichen, und dafür ſorgte der Aberglaube 
des Volkes, die Feindſchaft und Rachſuht der ſtreitſüchtigen Nachbaren, 
die Habſucht und Geilheit der Richter. 
Noh fam dazu, daß man die Magie als ein Crimen exceptum 
behandelte, nicht in der Strafe, ſondern bezüglich der Procedur und 
der „Anzeigung“. Bezüglich des lezten Punctes war Alles ein genügen- 
der Verdachtsgrund; z. B. ob der Angeklagte fromm war oder leichtſinnig, 
Furcht zeigte oder keine Furcht hatte; weinte oder niht weinte, Unſhuld 
bejahte oder Schuld Teugnete. Bezüglich der Procedur gingen die Richter 
weit über das Maaß der Folterung hinaus, welches die Carolina erlaubt 
hatte. Auch in der Frageſtellung, wie ſie $. 52 nad) dem bekannten 
quis, quid, ubi feſtgeſtellt, war die größte Willkür eingeriſſen, namentlih 
mit den Suggeſtivfragen, dur< wel<he den Gefolterten die gräßlihſten 
Dinge vorgehalten wurden, um durch den Schmerz deren Bejahung zu
	        
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