Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

Zweites Kapitel. Der Glaube des Chriſtenthums. 191 
auf denjenigen , welcher erklärt hatte: „Mir ift gegeben alle Gewalt im 
Himmel und auf Erden.“ Matth. XXVIII, 18, 
Dieſe ſeine Gewalt übt er aus über die Natur als ihr Schöpfer 
und Herr; über die Menſchen als ihr König und Herrſcher ; aber nur 
über „Freiwillige“. Er zwingt Niemanden: „Wer mir na<hfolgen will,“ 
„Will}| du zum Leben eingehen, fo halte die Gebote.“ Sein Reich 
wird gebildet dur< Eingeladene, welche ſeiner Einladung folgen oder auh 
fie ablehnen können, Er bietet deshalb feinen Frieden Allen denjenigen, 
„welche eines guten Willens find.” 
Durch die freiwillige Hingabe an Chriſtus im Glauben und in der 
Liebe findet der Gläubige die volle ſittlihe Freiheit des Willens conſer- 
virt. „Wenn euch der Sohn frei macht, ſo ſeid ihr wahrhaft frei.“ 
Nach dem heil. Auguſtin heißt Gott dienen ſoviel als Herrſhen. „Wir 
ſind niht mehr Kinder der Magd, ſondern der Freien , mit welcher 
Freiheit uns Chriſtus befreit hat.“ Gal. TV, 31. „Zhr ſeid zur Frei- 
heit berufen, Brüder,” jedoch nicht in reformatoriſhem Sinne, bis zur 
Zügelloſigkeit des Fleiſhes; denn „nur daß ihr niht die Freiheit zum 
Anlaſſe für das Fleiſh gebrauchet, ſondern dienet einander dur Liebe 
des Geiſtes.“ Gal. Y, 13. 
Als „Freie“ leben daher die Chriſten, ſind daher nihtsdeſtoweniger 
„Knechte Gottes“. I Petr. IL, 16. „Sie, die Gott anhangen, find ein 
Geiſt mit ihm.“ I Cor. VI, 16. Dem Chriſten iſ es jeden Augenbli> 
möglich, von ſeiner Freiheit Gebrau<h zu machen und Gott zu verlaſſen. 
Der status viae geftattet dieſes, daß der Menſch ſeine Freiheit auh 
gegen Gott gebrauhen kann; er ſoll glei<h den Stammeltern ſeine 
Prüfung beſtehen können, und, je nahdem ſeine Entſcheidung falle, Lohn 
oder Strafe zu gewärtigen haben. Die „Freiheit der Kinder Gottes“, 
wie ſie der heil. Paulus preiſt, hat daher zwei Seiten: eine negative, 
Freiheit von Jrrthum uud Sünde, und eine poſitive, die freie Ent: 
ihließung des Willens für oder gegen Gott. Dur< den heiligen Act 
der Taufe begibt fi) der Menih in den Dienft Chriſti; er entſagt zu- 
oſt dem Satan und ſeinen Werken und beantwortet dann die Frage: 
„Willſt du getauft werden?“ mit der Erklärung: „Jh will.“ 
Diejenigen nun, welche die Gnade in Chriſto in ſo hohem Grade 
fih aneignen, daß ſie vollſtändig ſih heiligen bis zu dem Grade der 
Entſündigung und Gerechtigkeit, wie er den Stammeltern eigen war vor 
dem Falle: »in virum perfectum in mensuram aetatis plenitudinis 
Christi; Eph. TV, 13. „zur vollſtändigen Mannheit zum Maße des in 
Chriſto vollendeten Alters,“ dieſe erhalten auh öfters die urſprüngliche 
Herrſchaft über die Natur zurü>, wie fie Adam im Paradieſe beſaß. 
Denn na< Foh. XIV, 12. verſpricht Chriſtus denen, welche an ihn 
  
  
  
  
  
 
	        
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