Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

Zweites Kapitel. Die Bulle Jnnocenz VIII, 2c. 223 
Herrn Profeſſor genügen ; den Katholiken genügen ſie niht, denn wenn 
eine Bulle eine dogmatiſche Definition enthalten ſoll, ſo muß ſie dieſes 
ausdrüdlich fagen, und ſi< niht an den Jakob Sprenger in Köln und 
den Jnſtitor in Straßburg wenden, ſondern an alle Patriarhen, Pri- 
mate, Erzbiſchöfe 2c. des ganzen Erdkreiſes. Fn ſeiner Geſchichte des 
Hexenproceſſes!) läßt Schwager ebenfalls Jnnocenz VIIL, Urheber der 
Hexenproceſſe werden ; „Jhm war es vorbehalten, denſelben zu autoriſiren, 
und den Verfaſſern des Hexenhammers, ihn in ein Syſtem zu bringen.“ 
Selbſt der ſonſt ſo ausgezeichnete Hiſtoriker Cäſar Cantu, reſp. ſein Ueber- 
jeger Dr. Mor. Brühl, ſchreibt der genannten Bulle und dem Hexen- 
hammer die Schuld der Hexenproceſſe zu ?). Demgegenüber hat die neuere 
Geſchichtsforſhung die Schuldfrage verneint oder doh ſie auf ein Mini- 
mum reducirt. Zunächſt iſt die Bulle des Papſtes ihrem Inhalte nad 
nichts anderes, als eine Reproduction der aus Deutſchland eingelaufenen 
Berichte. Waren dieſe falſ<h, ſo mußte auch die darauf gebaute Dar- 
legung des Papſtes falſh ſein; denn darin kann der Papſt getäuſcht 
werden. Er jagt ausdrüdlih: »audivimus«; „wir haben gehört“, daß 
in Ober-Deutſchland zc. viele Perfonen beiderlei Gejchlechtes vom Olau- 
ben abgefallen ſeien, mit dem Teufel gottloſe Bündniſſe eingegangen, 
Menſchen und Vieh großen Schaden zugefügt und auh ſonſt großes 
Unheil angerichtet hätten. Er klagt 1. »de nefandis superstitionibus, « 
d. h. über den ſhändlihſten Aberglauben; 2. über Verleugnung des 
Glaubens ; 3. über andere fo zahlreiche, Shändliche Exceſſe und Verbrechen ; 
4. über Cleriker und Laien, welhe den Jnquiſitoren Sprenger u. a. die 
Competenz zu deren Verfolgung abgeſprochen hätten. Demgegenüber 
ertheilt der Papſt den Jnquiſitoren officiell dieſe Vollma<ht, die Perſonen, 
welche ſie obgedahter Verbrechen jhuldig fänden, nad ihrer Schuld 
»corrigere, incarcerare, punire, mulctare.« Er fügt hinzu, daß in 
den einzelnen Pfarrkirchen dieſer Provinzen dem gläubigen Volke das 
Wort Gottes ausgelegt und gepredigt werden ſolle. Bei Strafen gegen 
Renitenten und Jmpedienten ſei eine Appellation unſtatthaft. Wenn 
nöthig, ſoll der weltlihe Arm zu Hilfe gerufen werden ®). Jn 
dieſer Bulle i} keine Rede von Folter und Feuertod, von Hexenfahrten 
und Teufelsbündniß, vom Wettermachen und Elbenerzeugung. Das erſte 
1) Johann Moriy Schwager, Paſtor zu Jöllenbe> , Verſuch einer Geſchichte 
der Hexenproceſſe, S. 37. 
2) Cäſar Cantu, Weltgeſchichte, Bd. X. S. 604. Anmkg. 
3) Eine Todesſtrafe konnte nur dieſer fällen und vollziehen ; die Competenz 
der Kirche erſtre>te ſi<h nur auf Freiheits-, Leibes - und Geldſtrafen, na< den 
bezeichneten Worten des Textes. 
  
  
 
	        
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