Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

  
224 Zweiter Theil, Zweites Buch. Die Kirche und der häretiſche Aberglauben 2c. 
Ziel im Auge des Papſtes iſt das Corrigere, dann erſt das Punire. 
Das Wort »Mulctare« bedeutet im lateiniſhen Sprachgebrauche eine 
Strafe an Geld und nicht an Leib und Leben. Die Tendenz der Bulle 
war hauptſä<hli<h darauf gerichtet, gegenüber dem Andringen der welt= 
lichen Richter die Competenz der geiſtlichen Gerichte in Zauberſachen zu 
wahren 1). Jhre Urſache fand ſie in dem am Oberrhein , namentlih in 
der deutſhen Schweiz, graſſirenden Hexenwahn , wo beſonders Skaf mit 
ſeinem Schüler Heppo und Stadelein als Hexenmeiſter berühmt geworden. 
Sie hatten eine ungeheure Aufregung hervorgerufen , weldhe fi dem 
Rhein entlang fortpflanzte 2). Die Fnquiſitoren Sprenger und Jnſtitor 
konnten nun ihres Amtes ungehindert walten, während fie vorher von 
vielen Geiſtlichen und ſelbſt Biſchöfen für niht competent gehalten worden 
waren ; doh genügte ihnen die bloße Vollmacht niht. Sie gingen viel- 
mehr dazu über, ein eigenes Strafrehtisbuh für die Zauberei und Keberei 
zu entwerfen. Dieſes Werk erſchien zu Köln 1489 unter dem Titel 
»Malleus maleficarum«, beftehend aus drei Theilen. Der erſte und 
zweite Theil behandeln theoretiich die Frage über Exiſtenz, Natur und 
Wirkungen der Hexen, jomie über die Schußmittel gegen die Gefahr 
zauberiſher Einwirkungen. Der dritte Theil enthält den eigentlichen 
Straf-Codex. Jm Ganzen genommen ift der Inhalt des Werkes nicht 
fo ſ{limm als ſein Ruf 3); man hat von akatholiſcher Seite mit Vor- 
liebe es als hiſtoriſhes Dogma hingeſtellt, als ob die fur<htbare Geißel 
der Hexenproceſſe nur dem Hexenhammer und der Bulle Jnnocenz VIII. 
zuzuſchreiben ſeien. Hören wir noh einige Stimmen aus dem Lager der 
Gegner: „Die Bulle Jnnocenz VIIL. und der darauf abgefaßte Hexen- 
hammer haben die Veranlaſſung zu den Hexenproceſſen gegeben #).“ Bei 
Erwähnung der Einwände gegen die päpſtliche Jnfallibilitäi in Rom, ſeie 
tens mehrerer deutſchen Biſchöfe 1869, ſchreibt Haaſe: „Dazu die Bullen, 
welche unbekannt mit den Geſeßen des Verkehrs alle Zinſen nehmen als 
1) Joh. Paulus Ipsen, Disput. jur. can. de origine ac progressu in- 
quisitorii contra sagas etc. Hallae 1712, pag. 43, $. 53. »Pontifex reje- 
cit opinionem eorum, qui hactenus obstiterant inquisitoribus iisque imputa- 
verant, quasi de facto se immiscerent jurisdictioni ad laicos pertenenti, atquo 
potestatem Inquisitorum primus ita ampliat, ut in posterum etiam de cri- 
mine magiae tanquam de indubitata specie crimine haereseos inquirere 
possint.« 
2) Albertud, Socialpolitif der Kirche ©. 286. 
3) Theod. Reinkingk, »Responsum juris« etc, beklagt, daß in ganz Heſſen 
und Deutſchland den Angeklagten kein Defenſor gegeben werde und zwar: »ex 
officio«, au< wenn fie e8 nicht begehren, wie felbft der Sprenger und 9. Inftitor 
im Herenhammer »rigidissimi alias censores sagarum« verlangen. ©. 63. $. 371. 
4) C. A. Menzel VIIL 56.
	        
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