Full text: Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland

  
  
  
  
  
  
242 Zweiter Theil. Zweites Buch. Die Kirche und der häretifche Aberglauben sc. 
Fünftes Kapitel. 
Die Myſtiker und die $Spracße der Kirche. 
I 
Eine ähnliche Ausnahme von der allgemeinen Durdjeudung mit 
dem Zauberwahne machen die M yſtiker des Mittelalters. Dieſe Männer 
bleiben durch ihre ascetifche Richtung und ihre Vertiefung in das Ueber- 
ſinnliche dem Materiellen mehr abgewendet, ſo daß fie wenig Werth auf 
die natürlichen Dinge fegten und fich vor zeitlichen Uebeln nicht fürchten. 
Jhre tiefe und große Furcht vor Gott, welche die Liebe zu ihm einjchloß, 
wie eine Knoſpe die Frucht, ließ in ihnen feine Furt vor dem Satan 
aufkommen. Jhre Panacee lag in den Worten: „Wenn Gott mit uns 
it, was kann gegen uns ſein“ 1), y 
Die Hauptvertreter des Myſticismus in Deutſchland ſind: Berthold 
von Regensburg 1220—1272; Tauler 1294—1361 ; Heinrich Sufo oder 
Seuſe 1290—1365; Thomas von Kempen 1380—1471, 
1, Der Franziskanerbruder Berthold von Regensburg gilt 
als der größte Prediger in unſerem Vaterlande. Die Zahl ſeiner Zuhörer 
wird bis zu 100,000 von Chroniſten angegeben ?). Sein Lehrmeiſter 
war David von Regensburg, ein berühmter Ascetiker und Schriftſteller 
jener Zeit. 
Jn ſeinen Predigten eifert Berthold wie gegen alle Laſter, welche zu 
ſeiner Zeit herrſchten , jo auch gegen Seberei, Aber- und Zauberglauben. 
Das MWort „Seberei” leitet er, wie Alanus von Yel, von Habe ab; 
do<h mehr wegen der Gleichheit der Eigenſchaften als aus Gründen der 
Ethymologie. Seine Bekämpfung der gleichzeitigen Jrrlehren laſſen deut- 
lih die Waldenſer und Katharer erkennen: er betont die Willensfreiheit 
gegen den Fatalismus; die Weltihöpfung Gottes gegenüber der angeb- 
lihen Schöpfung durd ein böſes Princip; die Hochhaltung des alten 
Teſtamentes in gleicher Weiſe, wie des neuen. Ferner belämpft er Sähe 
wie: die Che ſei ſündhaft; die Sakramente und Sakramentalien ohne 
Gnadenwirkung; die Losſprehung eines Prieſters, der im Zuſtande der 
Todſünde lebe, ungiltig; jeder dürfe die Bibel leſen 2c.; es find dieſes 
dieſelben Lehren, welche den, Katharern zugeſchrieben werden. Als Kenn- 
zeichen der Kleber führt er noh an, daß ſie den Sonntag niht feiern 
und vorgeben, mit den Geiſtern zu verkehren). Die Keyerei 
e 
1) Römer VIII. S. 33. 
2) Berthold von Regensburg von Karl Unkel, S. 18. 
3) Derſelbe. S. 6. Roskoff II. 127. 
LLS
	        
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