Drittes Buch.
Der Kampf der Kirche gegen den Herenwahn des
Beformationszeitalters, 1500-1800,
Erſtes Kapitel.
Der neue Baum der Erkenntuiß des Guten und Böfen.
Ein Faktor, welcher zur Erklärung der ungemeinen Verbreitung des
Hexenwahnes und des Aberglaubens am Ausgange des Mittelalters von
entſcheidender Wichtigkeit ift, darf nicht überſehen werden. Es iſt dieſes die
immenſe Bedeutung der Erfindung der Bu <drud>erkunfſt. Sie hat in der
geiſtigen Welt etwa denſelben Umſchwung hervorgerufen, wie die Dampf=
maſchine den Verkehr in unſerem Jahrhundert umgeſtaltet hat. So lange
die Geiſte8producte aller Völker nur gleihſam als Manuſkripte bezogen
werden konnten, waren ſie nur das privilegirte Monopol weniger Sterb-
lichen. Durch die Buchdru>erkunſt wurde der geiſtige Markt der Cultur-
völker Allen erſchloſſen und zugänglih. Die Wiſſenſchaft iſt ſeitdem in
alle Kreiſe der Menſchen hineingedrungen, und die Geiſtesbildung hat
dur< das Leſen gedru>ter Werke eine nie verſiegende Quelle entde>t.
Wenn nun auh der Hauptvortheil bei der Erfindung der Buchdrud>er-
funft der wahren Bildung, namentlich dem Chriſtenthume, zu Gute kam,
ſo war es doh niht zu hindern, daß fie aud dur Mißbrauch" der
falſchen Bildung, dem Jrrthume und dem Aberglauben, dienftbar gemacht
wurde. Dur die Bücher wurde unter den Gulturvölfern die Möglichkeit
gegeben, fi mit den klaſſiſhen Werken der Griehen und Römer bekannt
zu maden. Der Fall Conſtantinopels fällt mit der Erfindung jener
Kunſt zuſammen; die griechiſchen Gelehrten flühten fi<h mit ihren litera-
riſhen Schäßen, Handſchriften u, dergl. nah den Geſtaden Jtaliens, Spaniens
und den Jnuſeln des Mittelmeeres. Bald ſind dur ſie die alten Autoren
dem Büchermarkte zugeführt; das alte Rom hat ſeine Geiſtesmänner gleih=
falls an’& Licht gezogen, und in wenigen Fahren gibt der auflebende jo
genannte „Humanismus“ ben Beweis, meld’ große Veränderung das
Bekanntwerden der alten Klaſſiker in der Denk- und Geſinnungsweiſe
des Abendlandes erzeugt hat. Wenn in der erſten Zeit man das Alte
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