292 Zweiter Theil. Fünftes Buch. Der Proteſtantismus und der Hexenwahn,
will; wenn der Satan ihn reitet, wohin der Satan will, ſtra>s in die
Hölle.” Die andere Stelle, welche des Teufels Einfluß auf die leib-
lichen Uebel {arakteriſirt, entnehmen wir Schindler !): „Hier verliert
einer ein Auge, dort eine Hand; dieſer fällt in's Feuer und verbrennt
fi zu Tode, jener in's Waſſer und erſäuft; ein anderer ſteigt auf die
Leiter und ſtürzet den Hals ab; ein anderer fällt auf ebener Erde und
briht ein Bein, ein anderer kommt vom Boden herab, daß er ſelbſt
niht weiß, wie ihm geſchehen iſ und was ſolcher unvorhergeſehener Fälle
mehr ſind, denen fi) dann täglich, wie man fiehet, viel zutragen. Das
ſind eitel Teufels Würf und Schläge, da mit er immerdar nad) uns
wirft und ſticht, nur daß er uns Allen Unglü> zufügen möge.“
Dieſe ganze Auffaſſung Luthers über Macht und Wirkſamkeit des
Satans in der Welt einerſeits und die Ohnma<ht des Menſchen ander-
ſeits, iſ nur allzu verwandt mit der alten Lehre der Parſen, mit den
zwei Principien Ormuzd und Ahriman; ferner mit der gnoſtiſh-mani=-
G<äiſhen Lehre vom Sib des Böſen in allem Materiellen und den Jrr-
lehren des 12. und 13. Jahrhunderts im ſüdlihen Frankreih. Jn
dieſer Beziehung iſ das Zeugniß eines proteſtantiſchen Profeſſors der
Theologie niht zu verwerfen, welcher ſagt: „Die Vorſtellung -Luthers
vom Teufel ſteht mit ſeiner Lehre von der Sündhaftigkeit der menſ{h-
lichen Natur im engſten Zuſammenhange, und er erbli>te in der Herr-
ſhaft des Teufels über das Jnnere des Sünders ihren höhſten Gipfel=
punkt. Wir werden hierbei unwillkürlih an den parſiſhen Reformator
Zarathuſtra erinnert, welcher den Kampf zwiſchen Ahriman und Ormuzd
um den Menſchen auh in dieſen verlegt ?).“ Ferner derſelbe Gewährs=
mann3): „Luthers Auffaſſung von Gott als der reinen Liebe fcheint
mitunter ſogar zu führer bis zu einem Dualismus zwifchen Gott, aus
dem alles Gute und lauter Gutes für unſer inneres und äußeres Leben
fließe, und zwiſchen dem Teufel, von welhem alle äußern und innern
Lebenshemmungen ausgehen." Wie Brunnemann berichtet +), hat Dr.
Jonas in ſeiner Leichenrede bei Luthers Begräbniß darauf hingewieſen,
„daß er herrlihe Offenbarungen beim Anfange ſeiner Lehre gehabt, aber
keinem entde>et.“ Trohdem hat 30 Jahre nah ſeinem Tode 1576 fein
Verehrer Johannes Lapäus kein Bedenken getragen, zum mindeſten „die
Weiſſagungen“ Luthers herauszugeben. So prophezeit er denn „der
1) Schindler, Aberglaube, S. 6.
2) Roskoff IL. S. 372. Den Vorwurf des Manichäi3mus \{<leudert ſelbſt
Berker „in ſeiner bezauberten Welt“ gegen die Lehre Luthers. Soldan Heppe II,
©. 284. Jn neuerer Zeit Albertus, Socialpolitik der Kirche, S. 289,
3) Derſelbe, S. 370.
4) Brunnemann, Discurs der Zauberei, S. 90.