50 Erſter Theil. Erſtes Buch. Die Hexenproceſſe in proteſtantiſchen Territorien.
Hochwohlgeborener Graf, Gnädiger Herr!
„Auf Euer ho<wohlgeb. Exc. Gnädigen Befelh haben Wir jüngſt-
hin Hanß Schwarz Fiſchers über der Tauber Söhnlein von 7 Jahren
vor Uns gehabt und daſſelbe neben ſeinem Praeceptori beſten Fleißes
examinirt, weiter aber mit freundlichen und harten Worten aus demſelben
nihts bringen und erzwingen können, als daß es dur<h ein Weib, das
Trinkfäßlin und Mägdlein Urſula genannt, aus ſeiner Kammer bei
nähtliher Weil abgeholt und in ein Garten hinauß geführt worden,
als da es ſammt ihnen getanzt und geſprungen, auf- und abgeloffen,
auh dieſe Wort geſprochen: Ewig verſhworen hat verloren, Deßgleichen
den böſen Geiſt in ſhwarzer Geſtalt geſehen und demſelben die linke
Hand gegeben. Darauf wieder heimgeführt worden. Item, daß es ſi
in den Ofen verkrochen, ein Gerümpel in demſelben gemacht,
und eine Kachel hinaus in die Stube geſtoßen, welhes Ew. hochgräfl.
Exc. Wir unterthänig zu berichten niht Umgang nehmen ſollen. Die-
ſelbe ſammt Dero Geliebten Herrſchaft und alle Gräfl, Anverwandten
göttlichem Directorio und Patrocinio hochtreulih, Uns aber Dero beharr-
lihen Gräfl. Gnad unterthänig und demüthig empfehlend.
Wertheim, 16. Jan. 1642.
Ew. Hochgrafl. Excellenz
unterthänigſte getreue Diener am Worte Gottes
M. Jacobus Anglinus,
M. Hieronymus Holl, Diaconus.
Dieſe Darſtellung gibt der Vermuthung Raum, daß der Kleine im
Zuftande nächtlichen Alpdrüdens oder im fomnambulen Zuſtande ſein
Bett verlaſſen, dann niht eine Gartenfahrt, jondern eine Ofenfahrt unter
nommen, wobei er nicht blos ganz ſ{hwarz ſondern durh das Geräuſch
auh zum Bewußtſein zurü>gebraht wurde. Ihm lag dann die Bor:
ſtellung ganz nahe, daß er den Schlott hinabgeworfen worden von der
Trinknäßlein, während er ſelbſt hineingekrohen war in den bauchigen
Kachelofen. Seiner Mutter aber und feinem Vater war die Shwärze
ſeines Ausſehens ein unwiderlegliher Beweis, daß er in derſelben Nacht
eine teufliſhe Ausfahrt bewerkſtelligt habe.
Die theils kranken und nervöſen Kinder und ſolche, die ſhon in
zarter Jugend zu geſhlehtlihen Ausſhweifungen ſi<h verirrt hatten,
waren eine nur zu gut vorbereitete Sippe, welche unter dem Einfluſſe ſhauer-
licher Erzählungen von Zauberern und Hexenwerken in Zuſtände von
Hallucination und viſionärer Einbildung verjeßt werden mußten, ſo daß
fie die Ausgeburten ihrer überreizten Phantafie für Wirklichkeit anjahen.
Aehnliche Kinder-Epidemien traten an verſchiedenen Orten Deutſchlands