io früheſten Keime des Drama's ſprießten in England
befanntlich aus demſelben Boden, wie in Deutſchland, in Frank-
rei, Italien und Spanien: aus dem Boden der Kirche. Auch
in den weiteren Stadien, bi8 zum Anfang des eigentlichen Schau-
ſpiels, hat die Vorgeſchichte des engliſchen Drama's Vieles mit
der Entwi>elung des Drama's bei andern Völkern gemeinſam.
Bei einem Drama aber wie das engliſche, welches von ſeinem
eigentlichen Anfang, der genau in die Mitte des 16. Jahrhundert
fällt, mit ſo bewundernswerther Schnelligkeit zur höchſten und
echt nationalen Blüthe fich entwi>elte, iſt es natürlich, daß auh
{hon in jenen Vorſtufen die nationalen Elemente zu erkennen
find, welche ſpäter zu einer ſo großartigen Entwickelung drängten.
Die erſten Anfänge der religiös-theatraliſchen Darſtellungen
bildeten in England wie bei uns die Wechſelgeſänge, welche
innerhalb der Kirchen und Klöſter an hohen Feſttagen, meiſt zu
Oſtern und Weihnachten, ausgeführt wurden, und einen Theil
der Liturgie ausmachten. Dieſe kirchlichen Gebräuche gehen durch
die ganze Chriſtenheit. Auch in Deutichland geihah um Dftern
die Vorleſung der Leidensgeſchichte Chriſti am Palmſonntage der
Art, daß der Vorleſer den Text der Evangelien des Iohannes
und Matthäus in einem kunſtloſen Recitativ vortrug, während
die Worte Chriſti dazwiſchen geſungen wurden. Ebenſo wurden
dann die Worte der Jünger, ſowie des Pilatus u. |. w. an ver-
XIII. 305. I (631)