Full text: Aus einem Tagebuche des sechzehnten Jahrhunderts

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
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Das gräfliche Tagebuch ift auch im diefen Dingen ſehr 
genau und aufrichtig. Es verzeichnet gewiſſenhaft die verſchie- 
denen Einladungen, die an die Walde>er Herren meiſt ing: 
geſamt ergingen, und die Gäſte, die ſie in ihrer eigenen Her- 
berge ſahen und bewirtheten. Auch verſchweigt es nicht, wenn 
je einmal ein Becher zu viel geleert wurde, doh iſ dieſes 
ſelten genug vorgekommen. Es fehlte unſerem Grafen denn 
doch zu ſehr jene behagliche Lebensluſt, die e3 fich auch in den 
ungemüthlichften Situationen noch immer gemüthlich zu machen 
weiß, — ein Zug unſeres Volkscharakters, der ſeine liebens- 
würdigen, aber auch ſeine bedenklihen Seiten hat. Selbſt der 
gefangene Zohann Friedrich, der doch noch ganz andere Urfache 
hatte, über Schaden und Schande zu klagen, als unſer Graf, 
lies es ich nicht ſo hart anfechten. Er führte in feinem Ge 
wahrjam ein ganz vorzügliches Leben und vertrieb fich feinen 
Kummer und ſeine Sorgen gerade jo, wie ſeine Sieger und 
Peiniger fich die ihrigen zu vertreiben pflegten. Da es doch 
zu weit war, um ſein gutes, ſ{hweres Torgauer Bier nad 
Augsburg kommen zu laſſen, that er fich nach einem Erjag um 
und fand ihn in dem Schwabacher, wovon ihm ab und zu eine 
Wagenladung zugeführt wurde. Auch gab es bei ihm faſt Tag 
für Tag gemüthliche Geſelligkeit bei der Mittags- und Abend- 
tafel, deutſhe und weliche Gaukler, Sänger und Tänzer pro: 
duzirten ihre Tänze, und der vielgeprüfte Märtyrer der Glau- 
bensfreiheit ergößte fich weidlich an ihnen. Sogar Würfelfpiel 
gehörte zu den gewöhnlichen Vergnügungen dieſes Kreiſes. Soll 
doh der Herzog von Alba einmal den ganzen Sold, den der 
Kaiſer den deutſchen Landsknechten ſhuldete und ihm übergeben 
hatte, dort verſpielt haben, worüber eine höchſt gefährliche Meu- 
terei ausbrach, die einigen Spaniern das Leben koſtete. Würfel- 
ſpiel galt aber in den Augen des Grafen Wolrad für einen 
argen Greuel, während es der doh ebenſo fromme Kurfürſt zu 
(616) 
     
     
  
    
    
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
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