Full text: Aus einem Tagebuche des sechzehnten Jahrhunderts

   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
die ſih in den Kirchen wohl hören Liegen, aber in feinem Gemach 
flangen ſie niht. Die Mahlzeit wehrte nicht wohl eine Stunde; 
wurd’ alles weggeräumt, Seſſel und Tiſch zuſammnengeſchlagen 
und aus dem Gemach getragen, daß nichts mehr als die vier 
Wände blieben, allenthalben mit köſtlichen Tapeten behängt. 
Wann ihm dann das Gratias vorgebetet, reichte man ihm ein 
Federkielhen, damit ſäuberte er die Zähne, waſchte ſih und 
ſtellte ſih in eine E>e des Gemahs nad) dem Fenſter; da 
mochte ein jeder kommen, übergeben Supplicationes oder berichten 
mündlich, dem ſagt” er ſofort, wo er Beſcheid bekommen 
ſollte. Dem, und nicht dem Vater, folgte Kaiſer Maximilianus 
auch mehrentheils.“ 
Das einzige Mal, wo Wolrad dem Kaiſer gegenüber zu 
ſtehen kam, war jene traurige Scene der Abbitte, aber auch 
da ging es ganz ſpaniſh feierli< ſtill, ohne ein einziges 
Wort ab. Doch war unſer Graf viel zu ſehr ein ‘Deutſcher, 
als daß er nicht auch das Gute und Große an ſeinem Feind 
und Bedränger anzuerkennen gewußt hätte. Dieſe und jene 
Anekdote, die er von dem Kaifer hörte und aufzeichnete, leiſtet 
dafür Gewähr. So das anderweitig, ſoviel wir wiſſen, nicht 
aufbewahrte Gegenftücd zu dem freilich auch ſagenhaften groß- 
müthigen Worte in der Wittenberger Schloßfirche vor dem Grabe 
Luthers: „Jh führe feinen Krieg mit Todten.“ Als der 
Kaiſer vor dem Beginn des Augsburger Reichstages in Ulm 
weilte, wurde er darauf aufmerkſam gemacht, daß in dieſer 
Stadt von einem kegeriſchen Geiſtlichen eine freche Schmähfchrift 
gegen ſeine Perſon verfaßt worden ſei. Er fragte den Angeber 
bloß, ob es geſchehen ſei, ehe er die Stadt wieder zu Gnaden 
angenommen habe oder nachher? Als fich herausftellte, daß 
jenes Pamphlet der früheren Zeit angehörte, ſ<nitt er alles 
Weitere mit den Worten ab: „Damals waren die Ulmer unjere 
Feinde, jeßt ſind ſie wieder zu Gnaden angenommen.“ Den römi- 
(624) 
   
  
  
  
  
   
    
   
   
   
    
    
     
   
    
  
   
     
 
	        
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