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In unſerer Stadt wüßte ich augenbliclich kein Beiſpiel für ſo
hohen Flug der Phantaſie, aber Sie haben vielleicht ſonſtwo
irgend einmal ein Haus geſehen, deſſen ganze Vorderſeite etwa
dur<h hochgezogene korinthiſche Säulen den Eindruck der Vorder:
ſeite eines griechiſhen Tempels machte. Bekannt dürfte Jhnen
jedenfalls wohl die Vorderſeite der Kunſthalle zu Düſſeldorf
ſein. Dieſe Vorderſeite ſtellt nihts anderes dar, als ein ge,
waltig großes Eingangsthor. Daher der rieſige Bogen, der die
Grundidee des Ganzen bildet. Da das Gebäude fich Kunſt-
halle nennt, ſo war es durchaus paſſend, als Eingang zu der
Halle die Jdee des einen großen Thores zu verwerthen. Sehen
Sie fih nun etwas weiter nach den modernen öffentlichen
Bauten unſerer Großſtädte um, fo werden Sie finden, daß man
dieſe in dem Düſſeldorfer Falle ſo wohl angebrachte Jdee ſehr
oft verſtändnißlos Fopirt hat. Namentlich werden Sie das an
verſchiedenen neueren Bahnhofsgebäuden finden, wo zwar überall
auch eine Halle dabei iſt, aber, ſoviel ih weiß, niemals das
vordere, große, einzige Eingangsthor zu der Schmalſeite dieſer
Halle hinführt, au<h niemals eine gekreuzte Halle ſich findet,
ſondern die einzige Halle meiſtens re<htwinklig zum Haupl-
gebäude verläuft.
Doch damit hätten wir uns ja in die Architektur verirrt;
bleiben wir lieber bei unſerem Kunſthandwerk! Wir treten in
das Haus hinein oder lieber gleich in ein Zimmer, denn wenn
ich wieder über den Eingang, Treppenlage, Treppenhaus und
dergleichen reden wollte, würde ich mich wieder auf höhere Ge
biete begeben. Da habe ich irgendwo in einem Haufe ein
Schreibpültchen gefunden, welches diefe Abbildung hier zeigt
(Abbildung 2). So einfah und jchliht das Pültchen iſt,
jo verjtändnißlos hat der Schreiner dabei feiner künſtleriſchen
Neigung Raum gegeben, indem er an den beiden Seitenwänden
dieſe lang gezogenen Liſenen, wie er meinte, zur Verzierung
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