Full text: Kunsthandwerk und gesunder Menschenverstand

   
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und zu tragen. Um diejer Beftimmung aber gerecht werden zu 
fönnen, muß fie, und das weiß jeder kleine Junge, der fi) aus 
Holz irgend ein Häuschen baut, ja fogar der noch fkleiuere, der 
mit ſeinem Baukaſten ſpielt, muß fie num und in alle Ewigkeit 
ſenkre<ht ſtehen. Der Herr Profeſſor aber ſtellt ſie ſchräg! 
Haben Sie ſhon einmal eine ſchräg ſtehende Säule geſehen ? 
Sie meinen, das ſei ja bloß Verzierung. Freilich ift es bloß 
Verzierung, aber auch eine Verzierung darf nicht widerſinnig 
ſein. Es ift aber ein Widerfinn und zwar ein durch keine 
Ornamentik oder Symbolik erträgli<h gemachter Widerſinn, eine 
Säule, den Grundtypus der Senkrechtigkeit, ſchief zu ſtellen. 
Daß die ganze Staffelei ein Dreibein iſt und dabei die 
ſhrägen Stügen tragen, ift eine Erwägung aus der Phyſik; 
die Verzierung aber wendet fi) an mein Auge, nicht an meine 
Phyſikl-Kenntniſſe. Bei dieſer Gelegenheit möchte ich übrigeus 
daran erinnern, daß auch in der Gothik fich zwar nichts fo 
Widerſinniges, aber doch etwas ſehr Bedenkliches im Punkte der 
Säule findet, daS ijt nämlich die allerdings ſelten vorkommende 
gebogene Säule, wie Gie fie z.B. in der ‘hieſigen 
granzisfanerfiche unten am St. Joſephs-Altar beobachten können. 
Auch die erkläre ih unbedenkli<h für ein ganz unſtatthaftes Ver- 
legenheits-Erzeugniß des betreffenden Künſtlers. Ebenſo wenig 
wollen mir die gewundenen Säulen des Rokokoſtiles gefallen, 
welche Sie in zahlreichen Kirchen antreffen können. Der Ein- 
dru> der Stetigkeit und Feſtigkeit geht durch dieſe Windungen 
ganz entſchieden verloren, und man mag in der Natur umher- 
hauen, wo man will, es find immer nur Schlinggewächſe, 
welche in dieſer Weiſe ſi<h miteinander verflehten können, und 
denen hat no< Niemand eine bedeutende Tragkraft zugetraut. 
Ganz anders ift e8 bei der zufammengejegten Säule in der 
Gothik, denn eine Menge eng nebeneinander gejtellter Baum: 
ſtämme kann ſehr wohl eine äußerſt gediegene Stüge bieten. 
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