Elftes Kapitel.
56. Gegenwindungen des Ankers.
Wir haben gesehen, dass ein gewisser Theil des Magnetfeldes,
nämlich der durch den vorderen Polschuhrand gebildete, für die
Umkehrung der Stromrichtung benutzt werden muss. Dieses Stück
des Feldes liefert also keinen Beitrag zu der gesammten elektro-
motorischen Kraft des Ankers und geht deshalb für die nutzbare
Arbeit der Maschine verloren. Hieraus erklärt sich zum Theil der
Unterschied in der E.M.K. der Maschine, je nachdem sie belastet oder
unbelastet läuft. In dem letzten Falle befinden sich die Bürsten mitten
zwischen den Polen, und alle Kraftlinien werden für die Erzeugung
der elektromotorischen Kraft benutzt. Wird die Maschine aber be-
lastet, so müssen wir die Bürsten nach vorwärts verschieben und
verlieren dadurch einen Theil der Kraftlinien, bei guten modernen
Maschinen allerdings nur einen sehr kleinen Theil; die elektromoto-
rische Kraft wird also kleiner. Die statische elektromotorische Kraft
ist also immer grösser als die dynamische. Zu diesem Unterschied
kommt noch der Spannungsverlust im Anker, so dass die an den
Bürsten gemessene Spannung merklich kleiner ist, wenn die Ma-
schine Arbeit leistet, als wenn sie bei offenem Stromkreise läuft.
Der Spannungsverlust, der von der Rückwirkung des Ankers
herrührt, hängt aber ausserdem noch von den Gegenwindungen des
Ankers ab, wie man leicht durch die folgende Darstellung erkennt!),
Fig. 74 giebt die Stromrichtung in den verschiedenen Ankerwindungen
und die.Lage der Bürsten an, die der Einfachheit halber direkt auf
den Windungen schleifen sollen; der Kommutator ist deshalb weg-
gelassen. Um das Auftreten von Funken zu vermeiden, müssen die
Bürsten nach dem Vorigen so weit verschoben werden, dass die
kurz geschlossenen Drähte in den Wirkungsbereich der vordern
Ränder der Polschuhe kommen. Ob die so definirte Stellung genau
unter diese Ränder fällt: oder in geringe Entfernung davon,- hängt
von mannigfachen Umständen ab, von denen wir augenblicklich ab-
sehen wollen. Es mag die Bemerkung genügen, dass in der Praxis
im Allgemeinen ein funkenfreier Gang bei voller Belastung erzielt
wird, wenn die Bürsten den Polrändern genähert werden, und zwar
um so mehr, je schwächer das Feld ist. Wenn auch bei guten
') Esson und Swinburne, Journal of the Institution of Electrical
Engineers 15, 1886, 19, 1890 und 20, 1891.