101. Ankerrückwirkung. 355
E.M.K. und Klemmenspannung ist die magnetisirende oder ent-
magnetisirende Wirkung des Ankerstromes auf das Feld. Man
könnte bei oberflächlicher Betrachtung auf die Meinung verfallen,
als könne der Ankerstrom eine solche Wirkung nicht ausüben, denn
es ist ein Wechselstrom, während doch zur Magnetisirung der Feld-
magnete ein Gleichstrom nöthig ist. Diese Meinung wäre jedoch irrig.
Es ist allerdings richtig, dass in der durch den Erregerstrom erzeugten
Feldstärke eine zweite Erregerspule, die Wechselstrom führt, keine
Aenderung hervörbringen kann. Diese zweite Spule müsste aber ihre
Lage zu den Polen unverändert beibehalten. Die Windungen des Ankers
sind solche Spulen, aber sie stehen nicht stille, sondern ändern ihre
Lage den Feldpolen gegenüber mit einer Geschwindigkeit, die der Fre-
quenz genau entspricht. Während der Zeit, dass der Strom in einer be-
stimmten Spule seine Richtung wechselt, hat die Spule ihre Stellung
im Felde um die Strecke r verändert. Hat also in der ersten
Stellung der augenblickliche Stromwerth eine magnetisirende Wir-
kung ausgeübt, so übt in der zweiten Stellung der dann herrschende
Strom, trotzdem er die entgegengesetzte Richtung hat, eine magne-
tisirende Wirkung im gleichen Sinne aus. Der Vorgang in einer
Spule wiederholt sich natürlich in jeder anderen, so dass wir sagen
können, der Anker übt, wenn er Strom giebt oder empfängt, eine
magnetische Wirkung auf das Feld aus, und diese Wirkung besteht
aus Pulsationen in gleichem Sinne. Diese Pulsationen wiederholen
sich »» mal pro Sekunde und folgen, wie der Ankerstrom, dem Sinus-
gesetz. Ob nun diese Pulsationen den Kraftfluss verstärken oder
schwächen, hängt ab von der Stellung, die der Anker den Polen
gegenüber zu jener Zeit hat, wenn die Stromwelle im Anker ihr
Maximum passirt. Bei Phasengleichheit zwischen Strom und indu-
cirter E.M.K. giebt es ebenso viele Pulsationen im Sinn des er-
regenden Gleichstroms als im entgegengesetzten Sinn, und der Anker
übt weder eine magnetisirende noch eine entmagnetisirende Wirkung
auf das Feld aus. Ist jedoch Pasenverschiebung vorhanden, so
überwiegt je nach ihrem Vorzeichen die eine oder die andere Wir-
kung, d. h. die im Anker inducirte E.M.K. ist grösser oder kleiner
als bei Leerlauf. Wir wollen der Kürze halber die magnetisirende
Kraft des Ankers, möge sie in einem oder dem anderen Sinne
wirken, als durch Gegenwindungen veranlasst auffassen. Nennen
wir diese X, und die durch Gleichstrom erzeugte Erregung X, so
ist die wirklich auf das Feldsystem wirkende Erregung X—X,, wo-
23*