232 Neuntes Kapitel.
die Kraftrichtung unverändert. Dies findet auch bei weiterm Fort-
schreiten des Feldes statt; die Kraft sucht die Windung stets im
Sinne des Uhrzeigers zu drehen und lässt sie der Bewegung des
Feldes folgen. Was wir hier für eine Ankerwindung bewiesen haben,
gilt augenscheinlich auch für alle übrigen. Die Gesammtwirkung
besteht also darin, dass dem Anker ein kräftiges, im Sinne des
Uhrzeigers wirkendes Drehungsmoment ertheilt wird.
Diese allgemeine Darstellung giebt eine genügende Erklärung
dafür, wie die Zugkraft im Anker eines Drehstrommotors zu Stande
kommt; für eine genaue Bestimmung derselben reicht sie jedoch nicht
aus, da sie einen sehr wichtigen Faktor, nämlich die Rückwirkung des
Ankers, unberücksichtigt lässt. Die gebrochenen Linien, welche den
Verlauf der Feldstärke in Fig. 102 darstellen, entsprechen natürlich
nur dann der Wirklichkeit, wenn die Ströme in den Spulen A und
B allein zur Erzeugung des Feldes beitragen. Wir sehen jedoch,
dass auch in den Ankerdrähten Ströme verlaufen, die nothwendiger
Weise die Vertheilung und die gesammte Stärke des Feldes beein-
flussen müssen. Wenn diese Wirkung auch eigentlich nur eine
sekundäre ist, so darf sie doch nicht unberücksichtigt bleiben; jede
Theorie der Drehstrommotoren, welche die Rückwirkung des Ankers
nicht mit einschliesst, muss zu falschen Schlüssen führen.
Wollten wir die Untersuchung über den Einfluss der Anker-
ströme ganz allgemein, d.h. für ein Feld von beliebiger Vertheilung
und Geschwindigkeit, durchführen, so würden wir zu sehr ver-
wickelten mathematischen Ausdrücken gelangen, die für praktische
Zwecke keinen Werth hätten. Wir begnügen uns daher mit einer
angenäherten und einfachen Lösung der Aufgabe, wobei wir von der
Annahme ausgehen, dass die in Fig. 101 dargestellte gebrochene
Linie durch eine Sinuslinie zu ersetzen ist, die mit konstanter Ge-
schwindigkeit fortschreitet. Diese Voraussetzung entspricht ziemlich
den Thatsachen. Denn einmal können die scharfen Ecken der ge-
brochenen Linie nicht auftreten, wenn sich zwischen den Magnet-
polen und dem Anker ein Luftzwischenraum befindet. Sodann muss,
da rings um den Anker herum geschlossene Windungen angebracht
sind, jede Veränderung der Feldstärke (abgesehen von der Ver-
änderung, die von dem gleichmässigen Fortschreiten des Feldes her-
rührt) sofort in den Ankerdrähten Ströme erzeugen, die dieser
Aenderung entgegenwirken; in Folge dessen werden die Maxima
ausgeglichen und die scharfen Ecken abgerundet. Dass die Anker-