Pacinotti’scher Ringanker. 67
herstellt, diese also kurz schliesst. Wenn die Bürsten an der
gezeichneten Stelle — am neutralen Durchmesser des Kommutators
— aufliegen, so schadet dieser Kurzschluss nichts, weil keine elektro-
motorische Kraft in der Spule vorhanden ist; aber brächten wir die
Bürsten in einen aktiven Theil des Feldes, entweder rechts oder
links von der neutralen Linie, so würde jede Spule, wenn ihre
Enden die Bürsten passirten, von einem starken Strome durchflossen,
der heftige Funken an den Bürsten hervorriefe und wahrscheinlich
den Anker zerstörte. Die beste Stellung für die Bürsten wird immer
durch den Versuch gefunden; sie fällt nicht vollständig mit der geo-
metrischen neutralen Linie zusammen, sondern liegt bei den Dynamo-
maschinen etwas vor, bei den Motoren etwas hinter ihr. Die
Meinungen über den Grund dieser Erscheinung sind getheilt. Eine
Zeit lang schob man sie auf die Verzögerung, die bei der Magneti-
sirung und Entmagnetisirung des eisernen Kerns stattfinden sollte,
aber diese Theorie ist schon längst von den meisten Elektrikern
verworfen. Einige glauben, dass die Verschiebung der neutralen
Linie von dem magnetisirenden Einfluss herrührt, den der Anker-
strom auf den Eisenkern ausübt; hierdurch wird der Kern in einen
doppelten Hufeisenmagnet verwandelt, dessen gleiche Pole an einander
liegen und dessen Achse fast rechtwinklig auf derjenigen der Feld-
magnete steht. Andere behaupten wiederum, dass die Bürsten wegen
des Einflusses der Selbstinduktion in den Ankerspulen bei einer
Dynamomaschine nach vorwärts und bei einem Motor nach rückwärts
verschoben werden müssen. In Wirklichkeit beeinflussen die zuletzt
genannten Ursachen gleichzeitig die Stellung der Bürsten, wie wir im
vierten Kapitel eingehender auseinandersetzen werden.
Der erste Elektromotor, dessen Anker nach dem obigen Princip
gewickelt war, wurde von Pacinotti in Pisa konstruirt und von
ihm in der Zeitschrift „Il Nuovo Cimento“ im Jahre 1864 be-
schrieben. Dieser Motor ist in Fig. 24 skizzirt; der Kern des
Ankers unterscheidet sich nur dadurch von dem sieben’ Jahre später
von Gramme angewandten, dass er nach aussen hin Vorsprünge
zwischen den Spulen hat, welche die magnetische Anziehung zwischen
Anker und Polschuhen bedeutend verstärken. Fig. 25 zeigt einen
Theil des Ankers und der Wicklung. Der Kern der Gramme’schen
Maschine besteht aus Eisendraht, der in Form eines Ringes von
länglichem Querschnitt aufgewickelt ist. Nachdem der Ring der
Isolation wegen mit Band umwunden ist, wird der mit Baumwolle
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