Systeme der elektrischen Kraftübertragung. 133
Die Anwendung des zweiten Systems bietet deshalb viel Schwierig-
keiten, weil sämmtliche Motoren von einander unabhängig sein und,
ob sie nun leer oder belastet laufen, stets dieselbe Geschwindigkeit
haben sollen. Dass die Erfüllung dieser Bedingungen für eine wirk-
liche praktische Ausnutzung der elektrischen Kraftübertragung im
Kleingewerbe und in der Hausindustrie unumgänglich nothwendig
ist, zeigt eine kurze Ueberlegung. Der Motor ist bekanntlich in
diesem Falle an das allgemeine Leitungsnetz angeschlossen und wird
eingeschaltet, sobald Energie gebraucht wird. Hierdurch darf die
Stromabnahme, die vielleicht zu Beleuchtungszwecken oder zum Be-
triebe anderer Motoren an einer andern Stelle des Leitungsnetzes
stattfindet, nicht beeinflusst werden. Ferner muss der Motor stets
mit derselben Geschwindigkeit laufen, ob er wenig oder viel Arbeit
leistet. Denn die meisten Arbeiten, die ein Werkzeug zum Drehen,
Hobeln u. s. w. erfordern, können nur bei einer bestimmten, vor-
geschriebenen Geschwindigkeit vorgenommen werden, die von der
Maschine jederzeit innegehalten werden muss.
Das dritte System bietet Schwierigkeiten verschiedener Art. Da
wir es nur mit einem Generator und einem Motor zu thun haben,
so ist es leichter, diese einander anzupassen, und es hat keine
Schwierigkeit, eine gleichförmige Geschwindigkeit einzuhalten, da die
Belastung in der Regel konstant sein wird. Die Schwierigkeit liegt
in diesem Falle mehr darin, dass Leitungen und Maschinen gut isolirt
werden müssen. Da dies System im allgemeinen für Uebertragung
auf weite Entfernungen bestimmt ist, so hat man, wenn die Anlage
sich rentiren soll, sowohl wegen der Anlagekosten als auch wegen
des wirthschaftlichen Wirkungsgrades mit hochgespannten Strömen
zu arbeiten. Die Verwendung hoher Spannungen ist allerdings etwas
gefährlich und erfordert eine vorzügliche Isolation. Beide Schwierig-
keiten können aber bei sorgfältiger Berechnung und Ausführung
der Anlage leicht überwunden werden. Die Gefahr, die die elektri-
schen Ströme von hoher Spannung bieten, wird gewöhnlich sehr
übertrieben. Ein Mensch, der mit den Händen gleichzeitig die
positive und negative Leitung an einer nicht isolirten Stelle berührt,
kann freilich getödtet oder ernstlich verletzt werden, wenn die Span-
nung 2000 oder 3000 V übersteigt. Eine solche Berührung ist je-
doch bei hinreichender Vorsicht ganz ausgeschlossen. Genau die-
selbe Gefahr bietet die leiseste Berührung einer rotirenden Kreis-
säge, durch die dem Arbeiter sofort die Finger abgeschnitten werden;