228 Neuntes Kapitel.
anzuwenden, weil die Vermehrung der Stromkreise zu unbequemen
Weiterungen führt; für praktische Zwecke hat man daher nur
zwischen zwei oder drei Phasen zu wählen.
Eine Kraftübertragungsanlage mittels Mehrphasenstromes besteht
also aus einem oder mehreren Generatoren, die den Strom am Aus-
gangspunkt der Leitung erzeugen, und aus einem Drehstrommotor
an der Endstation; die Leitung selbst besitzt wenigstens drei Drähte,
wie wir später zeigen werden. Für den Augenblick wollen wir uns
nur auf den Motor beschränken und seine Theorie in ähnlicher
Weise ableiten, wie es oben für Gleichstrommaschinen und ein-
phasige Wechselstrommotoren geschehen ist.
Der bekannte Arago’sche Versuch mag als Ausgangspunkt für
unsere Betrachtungen dienen. Eine Kupferscheibe ist an einer senk-
rechten Achse befestigt, die durch ihre Mitte geht. Möglichst nahe
über der Scheibe ist eine Magnetnadel angebracht, die sich in nord-
südlicher Richtung einstellt, wenn die Scheibe still steht. Dreht
man jedoch die Scheibe in einem beliebigen Sinne, so wird die
Nadel in der Richtung der Bewegung abgelenkt und nimmt schliess-
Jich an der Drehung theil, wenn diese hinreichend beschleunigt
wird. Diese Erscheinung lässt sich in folgender Weise erklären.
Die Magnetnadel erzeugt in ihrer Umgebung ein magnetisches Feld,
dessen Kraftlinien zum Theil durch die Scheibe verlaufen und von
dieser bei der Drehung geschnitten werden. Hierdurch werden
Ströme in der Scheibe indueirt, deren Verlauf ziemlich verwickelt
ist. Soviel ist jedoch klar, dass sie in der Nähe der Pole annähernd
eine radiale Richtung haben müssen, denn nur dann fliessen sie
senkrecht zur Richtung der Bewegung und zu der der Kraftlinien.
Sie laufen daher der Nadel ziemlich parallel und beeinflussen diese
in ähnlicher Weise, wie bei dem bekannten Oersted’schen Versuche,
wo sich ein vom Strome durchflossener Leiter in nordsüdlicher
Richtung über oder unter einer Magnetnadel befindet. Diese erfährt
in Folge dessen eine Ablenkung, die in eine fortdauernde Drehung
übergeht, wenn sie mehr als 90° beträgt.
“ Dieser Versuch lässt sich offenbar auch umkehren, indem wir
den Magnet in Drehung versetzen und dadurch auf die Scheibe ein
Drehungsmoment ausüben; wir haben alsdann die einfachste Form
eines Drehstrommotors, dessen Anker durch die Kupferscheibe ge-
bildet wird. Eine solche Anordnung hat jedoch nur theoretisches
Interesse, da sie die Wirkung der Drehstrommotoren erklärt; für
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