256 Neuntes Kapitel.
Leistung des Motors erreicht für eine Schlüpfung von 50°, ihr
Maximum; denn dann ist die im Anker verzehrte Energie gleich der
nutzbaren, und der Wirkungsgrad beträgt 50 °/,. Nimmt die Schlüpfung
ab, so wächst der Wirkungsgrad, nimmt sie zu, so sinkt er.
Liesse sich ein Motor unter den angenommenen Bedingungen
wirklich in Betrieb setzen, so wäre sein Gang völlig stabil. Mit
zunehmender Belastung würde die Geschwindigkeit sinken und dem-
entsprechend das Drehungsmoment wachsen; beim Angehen wäre das
Drehungsmoment am grössten. Es stimmt dies also genau mit unsern
Wünschen überein. In Wirklichkeit sind jedoch solche Bedingungen
nicht zu erfüllen. Denn einmal lassen sich Motoren ohne magnetische
Streuung nicht bauen; sodann können auch die Spulen der Feld-
magnete den starken Strom nicht aushalten, den der Motor beim
Angehen nöthig hätte. Um einen guten Wirkungsgrad zu erzielen,
müssten wir den Motor mit einer geringen Schlüpfung arbeiten lassen:
es entspräche dies einem Punkte auf dem rechten Ende der Abscissen-
achse. Ferner wäre die Wicklung der Feldmagnete der entsprechen-
den Stromstärke anzupassen; sie könnte daher, wie gesagt, den viel
stärkern Strom nicht ertragen, der nach dem Vektordiagramm für
das Angehen erforderlich ist.
Wir kommen nun zu den Motoren, wie sie im wirklichen Be-
triebe vorkommen. Hier liegen die Verhältnisse in der Mitte zwischen
den beiden Extremen, die wir soeben betrachtet haben.
Wollen wir die Betriebsverhältnisse des wirklichen Motors unter-
suchen, so müssen wir alle Verluste und Unvollkommenheiten einer
solchen Maschine berücksichtigen. Die Verluste zerfallen in mecha-
nische, magnetische und elektrische und haben ihre Ursache in der
Reibung, dem Luftwiderstande, der Hysteresis, den Wirbelströmen
und dem Widerstande der Feldmagnetwicklung. Die Unvollkommen-
heiten rühren von der magnetischen Streuung her, die durch die
entgegengesetzt gerichteten magnetisirenden Wirkungen des Magnet-
rings und des Ankers längs des Luftzwischenraums zwischen der
Anker- und der Feldmagnetwicklung zu Stande kommt. Je schmaler
man diesen ringförmigen Raum herstellt und je näher man die
Leiter an seine Begrenzungsflächen heranbringt, um so mehr wird
der Raum eingeengt, in dem diese Streuung stattfinden kann, und
um so vollkommener wird die Maschine. In Folge der Streuung
entsteht eine der Stromstärke proportionale elektromotorische Gegen-
kraft in den Ankerdrähten, deren Phase um 90° gegen die Phase