Die Weber’sche Theorie des Magnetismus. 21
netischen Zusammenhang ebenso leicht verlieren, als er gewonnen
ist, und die leiseste mechanische Erschütterung reicht hin, um den
grössten Theil des Magnetismus zu zerstören.
Um dies anschaulich zu machen, nehmen wir eine Glasröhre,
die mit Eisenfeilspähnen lose gefüllt ist, und magnetisiren sie durch
Streichen mit einem Magnetpol. Wir sehen alsdann, dass die Eisen-
theilchen, welche anfangs in allen möglichen Richtungen lagen, sich
mehr oder weniger parallel zu der Längsrichtung der Röhre lagern,
sodass das Ganze das Ansehen eines festen Eisenstückes von stark
sehniger Beschaffenheit bekommt. Die Röhre ist ein Magnet ge-
worden, und wenn sie sorgfältig behandelt und die Anordnung der
Theilchen nicht gestört wird, so kann man sie wie einen festen
Stahlmagnet verwenden und alle gewöhnlichen Erscheinungen der
Anziehung und Abstossung in die Ferne erhalten. Schüttelt oder
stösst man aber die Röhre, so gleiten die Theilchen in ihre anfäng-
liche unregelmässige Lage zurück, und es verschwinden alle Spuren
von freiem Magnetismus.
Aus diesem kurzen Abriss der Molekular-Theorie des Magnetis-
mus sieht man, dass wir nur dadurch auf die Moleküle im Innern
eines Eisen- oder Stahlstabes wirken können, dass wir ihn von Kraft-
linien durchdringen lassen. Je grösser die Zahl der Kraftlinien ist,
um so kräftiger sind die Ketten, zu denen sich die Moleküle des
Stabes zusammenschliessen — oder mit andern Worten, je grösser
die magnetisirende Kraft, um so grösser ist die Anzahl der Mole-
küle, welche sich in Folge dessen in mehr oder weniger vollstän-
digen magnetischen Ketten anordnen. Wenn das Metall hart genug
ist, so werden diese Ketten wieder ihrerseits der Sitz und die Quelle
von Kraftlinien und können zur Magnetisirung anderer Stäbe ver-
wandt werden.
Streng genommen ist jeder Magnet von Kraftlinien umgeben,
die sich über den ganzen unendlichen Raum erstrecken, aber prak-
tisch kann man sie nur in dem Raume zeichnen, der den Magnet
unmittelbar umgiebt. Diesen nennt man magnetisches Feld. Mit
Hülfe der oben eingeführten Vorstellung von den magnetischen Kraft-
linien können wir weiter auf einfache Art die Stärke des magneti-
schen Feldes in einem gegebenen Punkte ausdrücken. Wir können
entweder annehmen, dass die Kraftlinien verschiedene Stärke be-
sitzen und dass die mechanische Kraft, mit der ein gegebener freier
Magnetpol sich längs irgend einer Kraftlinie bewegt, von der Stärke