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8 151. Die polare Methode. 363
so gestalten, dass man peripherie- und zentralwärts den anderen Pol
sich applizirt denken kann, so dass dabei der Nerv von zwei, aber
entgegengesetzt gerichteten Strömen durchflossen wird, und dass bei
Applikation beider Elektroden an den Nerven derselbe, wie Hitzig°’?
besonders betont, von vier oder sogar von fünf in entgegengesetzter
Richtung verlaufenden Strömen durchsetzt wird. Ebenso ist es nicht
zu leugnen, wie Helmholtz®?, Erb52, Hitzig°?, de Watteville°*
gezeigt haben, dass bei der Einbettung eines dem unversehrten Tier-
körper angehörigen Nerven in mehr oder weniger gut leitendes Gewebe
der Strom bei der Applikation des positiven Pols z. B. eine bestimmte
Partie des Nerven zwar in relativ bedeutender Dichte trifft, aber auch
alsbald, rein physikalischen Gesetzen folgend, aus dem Nerven in das
umliegende Gewebe austritt und an der Stelle seines Austritts die
Wirkung der Kathode, des negativen Pols, hervorbringt.
Wie aber trotz aller dieser Bedenken, trotz des Mangels einer
allseitig anerkannten wissenschaftlichen Begründung die polare Methode
zunächst für die Elektrodiagnostik von bahnbrechender Bedeutung ge-
worden ist, so tragen wir auch kein Bedenken, dieselbe praktisch
wichtige Methode in die Therapie hinüber zu nehmen und die Wirkung
der Pole, von deren Erfolgen wir uns bei elektrodiagnostischen Unter-
suchungen täglich und stündlich überzeugen, auch am Krankenbette und
für den Kranken zu verwerten. Wir verwerten bei der Anwendung der
„polaren Methode“ die physiologisch festgestellten elektrotonisirenden
Wirkungen derselben (Erhöhung der Erregbarkeit und Leitungsfähigkeit
nervöser Gebilde am positiven, Herabsetzung der Erregbarkeit und Lei-
tungsfähigkeit am negativen Pole); immer aber wird man sich
zu vergegenwärtigen haben, dass am lebenden Menschen und
bei auf die mannigfachste Weise pathologisch veränderten
Geweben die physikalischen Bedingungen nicht selten so
ganz andere werden können, dass eben oft ganz andere, als
die theoretisch berechneten Resultate zu Tage treten. Jeden-
falls hat die Ausbildung der polaren Methode nicht zum wenigsten
dazu beigetragen, auch den Elektrotherapeuten die Anwendung seines
Heilmittels direkt auf den Krankheitsherd zu erleichtern und ihn
anzuregen, diesen mit den relativ stärksten Stromschleifen
zu treffen. Aus dem bisher Gesagten geht also soviel hervor, dass
wir bei dem Mangel absolut giltiger theoretischer Anschauungen uns
durch die Erfahrung belehren lassen müssen, welche Methode der
Einwirkung, welche Stromrichtung, welche Polwirkung wir in jedem
einzelnen gegebenen Fall anzuwenden haben: absolute giltige, für alle