Full text: Elektrizitätslehre für Mediziner und Elektrotherapie

        
   
  
  
  
  
  
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
   
    
  
  
  
  
  
  
364 
  
Stabile, Labile Ströme. Querdurchströmung. Kap. XX. 
Fälle feststehende Regeln gibt es nicht; im Gegenteil geht der Rat 
aller vorurteilsfreien und erfahrenen Elektrotherapeuten dahin, bei 
durchaus  erfolgloser‘ Anwendung einer bestimmten Behandlungsart 
dieselbe aufzugeben und eine andere zu versuchen: vorgefasste theore- 
tische Meinungen mit 'starrer Konsequenz festzuhalten ist bei unserer 
Unbekanntschaft mit so manchen notwendigen Prämissen nur ein Fehler. 
Die polare Methode in der Behandlung muss offenbar für viele 
Fälle, wenigstens bis heute noch, derjenigen das Feld räumen, wo es 
uns darauf ankommt, die oben weitläufig besprochenen katalytischen 
Wirkungen zu erzeugen: die Querdurchströmung, ja die oft 
während der Sitzung einigemale zu verändernde Stromes- 
richtung wird bei der Behandlung von Gelenk- und Muskelaffektionen, 
bei Hirnleiden etc. nicht zu entbehren sein. 
Lässt man die beiden Elektroden während der Zeit der Behandlung fest auf 
den Punkten stehen, wo sie zuerst aufgesetzt worden sind, so ist dies in der Sprache 
der Elektrotherapeuten die „stabile Anwendung“ des konstanten Stroms: ver- 
ändert man aber den Standpunkt auch nur einer Elektrode, indem man mit ihr, 
ohne sie von der Unterlage abzuheben, die Haut dem Verlauf einzelner Muskeln 
oder Nerven entsprechend entlang streicht, so nennt man dies die „labile* 
Behandlungsweise. Freilich kann dabei von einer Konstanz des Stromes 
oder der Stromstärke nicht mehr die Rede sein: je nach den zufälligen 
Widerstandsverhältnissen der verschiedenen mit der Elektrode bestriehenen Haut- 
stellen wechselt diese Stromstärke; die so bewirkten Schwankungen derselben sind 
dabei oft so beträchtlich, dass sie (ohne dass also der Strom je gänzlich unter- 
brochen wird) ziemlich bedeutende Erregungen (Zuckungen) hervorrufen. Steht 
bei Applikation des konstanten Stroms am Kopf die Anode an der Stirn, die 
Kathode im Nacken, so nennt man dies einen absteigenden, bei umgekehrter 
Stellung einen aufsteigenden Strom: ruht bei Galvanisation des Rückens die 
Kathode an den Lenden-, die Anode an den Brust- oder Nackenwirbeln, so ist der 
Strom absteigend, bei der umgekehrten Polapplikation aufsteigend; das Rücken- 
mark ist im Vergleich zum Plexus der mehr central gelegene Teil, der Plexus 
wieder centraler als der Nerv, dieser mehr central als der Muskel; ruht also die 
Anode am Vastus internus, z. B., die Kathode am ersten Lendenwirbel, so ist dies 
in der bequemen Ausdrucksweise mancher Elektrotherapeuten ein aufsteigender 
Muskel-Rückenmarksstrom: ist die Anode in der Oberschlüsselbeingrube 
über dem Plexus brachialis, die Kathode in der Grube zwischen Condylus int. hum. 
und Olecranon applizirt, so wäre dies einabsteigender Plexusnervenstrom, 
Ausdrucksweisen, welche als schnell über die Stellung der Elektroden orientirende 
und damit bequeme Bezeichnungen von vielen Elektrotherapeuten noch heute ange- 
wendet werden. 
Ebensowenig aber wie man sich auf nur eine Methode der Be- 
handlung zu beschränken hat, ebensowenig tut man, dem Buchstaben 
folgend, allemal gut, nur den erkrankten Teil selbst zu behandeln: 
hat eine genaue Untersuchung gezeigt, dass die Möglichkeit eines
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.