372 _ Praktische Bemerkung. üb. d. elektrotherapeutischeBehandlung. Kap. XX.
Drähte in die Klemmschrauben beiden Stromesarten eine gleiche oder
eine zu einander entgegengesetzte Richtung geben, je nachdem Experi-
ment oder therapeutische Indikation es erfordern.
$ 154. Bevor wir jetzt zu dem speziellen Teil übergehen, bleibt
uns noch übrig, einige allgemeine Bemerkungen über die Art
und Weise wie die elektrische Behandlung auszuführen sei,
voranzuschicken. Es ist natürlich selbstverständlich, dass der einzu-
leitenden Behandlung eine genaue Untersuchung des Kranken voraus-
zugehen hat, eine Untersuchung, die, wie ebenfalls selbstverständlich,
nur der mit allen sonstigen Untersuchungsmethoden vertraute Arzt
ausführen kann. In nicht wenigen Fällen wird diese Untersuchung
nun aber eine speziell elektrisch-diagnostische sein müssen, und es
ist vielleicht gut, darauf aufmerksam zu machen, dass man die bei
einer erstmaligen Exploration gewonnenen elektrodiagnostischen Re-
sultate nicht allzuschnell als sichere hinnimmt. Die Befangenheit, ja
die oft sichtbare Angst des Kranken vor dem Neuen und Unbekannten
können nicht allein ihn, sondern auch den untersuchenden Arzt in eine
Verwirrung bringen, die eine sichere Auffassung des oft schwer fest-
zustellenden Tatbestandes nicht gestattet.
Es ist hier wohl auch der Ort, auf die von Möbius?0% besonders
betonte und von jedem erfahreneren Elektrotherapeuten zu bestätigende
Tatsache hinzuweisen, wie verschieden die einzelnen Individuen auf
elektrotherapeutische Massnahmen reagiren. Es gibt Menschen, welche
nach ganz schwachen Strömen ein grosses Schlafbedürfniss bekunden,
die enorm leicht schwindlig und blass werden, bei denen auch die
harmloseste Prozedur Ohnmachtsgefühl ete. hervorruft: derartige „elek-
trosensitive“ Naturen (nach Möbius) erfordern in der Tat eine
ganz besondere Sorgfalt und Vorsicht von Seiten des behandelnden
Arztes, während wieder robustere Individuen auch durch intensive
Stromeswirkungen kaum beeinflusst werden.
Man suche also zunächst den Kranken durch Anwendung ganz
schwacher Stromstärken zu beruhigen und ihn erst ‚allmählich, oft
erst in der zweiten Sitzung mit allen den eigentümlichen Sensationen
bekannt zu machen, die nun einmal durch die Ströme im Organismus
hervorgerufen werden. Ueber die ganz besondere Vorsicht, welche bei
der Anwendung der Elektrizität (vorwiegend des galvanischen Stroms)
zur Behandlung von Hirnkrankheiten und Leiden der Sinnesorgane
von Nöten ist, wird im speziellen Teil noch ausführlicher gehandelt
werden.
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