Historisches. 281
auf die Lanz’sche Eintheilung stützten, ungenügend erkannt und letz-
tere kaum mehr war, als eine schematisirte Systemlosigkeit, die daher
auch kaum mehr als ein Nothbehelf sein konnte. Das Geschlecht der
Mechanismen hat sich seit Amp£re ins Zahllose vermehrt und ist
über die Grenzen hinausgetreten, mit denen das alte System es zu um-
fassen‘ versuchte, und anstatt dass die Lehre von den Bewegungs-
mechanismen diese meisterte, kehrte sich geradezu der Fall um, und
das Wirrsal wurde um so grösser, je weiter der Erfindungsgeist das
alte System stückweise zerbröckelte.
Aus den Trümmern eine neue Wissenschaft aufgebaut zu haben,
ist ein Verdienst, das für alle Zeiten Reuleaux gebühren wird; er
hat mit dem Ueberlieferten gebrochen und das Terrain geebnet, das
einem neuen und modernen Gebäude Platz zu schaffen bestimmt war.
Reuleaux’ System !) führt fundamentale und neue Anschauungsweisen
in unseren Gesichtskreis, die ein ruhiges und klares Licht über die
Bewegungsmechanismen ergiessen, unter welchem eine wissenschaft-
liche Ableitung derselben leicht, einfach und fast selbstverständlich
wird.
Der Raum gestattet mir nicht, das Reuleaux’sche System selbst
eingehend zu besprechen, und da ich dessen „Theoretische Kinematik“
als bekannt voraussetze, werde ich nur die Hauptpunkte berüh-
ren, welche die Anfertigung der ausgestellt gewesenen Lehrmittel
der Kinematik beeinflussten und bei deren Construction besonders ins
Gewicht fielen. Dass diese Lehrmittel, auf neuen Principien basirt,
eine wesentlich neue Gestalt gewinnen mussten, liegt auf der Hand,
und es ist Prof. Reuleaux, Director der königl. Gewerbe-Akademie zu
Berlin, hoch anzurechnen, für diese technische Lehranstalt eine Samm-
lung von kinematischen Modellen geschaffen zu haben, die in ihrer
Art einzig und unübertroffen dasteht. Man verlange nicht, dass ich
hier eine detaillirte Beschreibung sämmtlicher ausgestellter Modelle ı
deren Zahl sich auf mehr als dreihundert beläuft, detaillirt vorführe,
indem dies die Grenzen eines Berichtes weit überschreiten würde; ich
muss mich vielmehr darauf beschränken, ein Gesammtbild des Ganzen
zu skizziren.
!) Theoretische Kinematik, Braunschweig bei Friedrich Vieweg &
Sohn, 1875. 2) Das kinematische Cabinet der königl. Gewerbe-Akademie
zu Berlin besitzt etwa 600 Modelle.