Maasse und Gewichte. 5
Die Geschichte der Maasse und Gewichte Englands und Frankreichs
hat mit der inneren Geschichte beider Staaten einige Aehnlichkeit. Dort
öftere Umwälzungen, welche indessen die einmal vorhandene Grundlage
nur modificiren, hier nach mehrfachen Einigungsversuchen, welche freilich
resultatlos verlaufen, eine einmalige, aber radicale Umwälzung, welche
das Vorhandene zu Gunsten von durchaus Neuem gänzlich beseitigt.
Das älteste englische Längenmaass, das angelsächsische, muss be-
reits im 10. Jahrhundert vorhanden gewesen sein. Wenigstens existirt
noch eine Verordnung Wilhelm’s des Eroberers!): „Statwimus et
praecipimus, quod habeant per universum regnum mensuras fidelissimas
et signatas; et pondera fidelissima, et signata, sicut bomi praedecessores
nostri statuerunt,“ und ein anderes seiner Gesetze, worin gesagt ist,
dass der sächsische Schilling, auf den man die Gewichte bezog, 4 Pence
war, wird mit den Worten eingeleitet: „Ice les meismes que le Reis Ed-
ward sum Cosin tint devant lui.“ Man wird demnach mit Clarke?) zu
schliessen berechtigt sein, dass König Wilhelm nicht neue Maasse und
Münzen einführte. Doch mochte die genaue Definition des angelsäch-
sischen Fusses zu wünschen übrig lassen, denn Wilhelm’s Sohn, Hein-
rich I., bestimmte, dass die Länge des angelsächsischen gird (yard)
diejenige seines Armes sein sollte. Die Schwierigkeiten, die der Durch-
führung jener Verordnung durch das ganze Reich entgegenstanden,
können aber so ohne Weiteres noch nicht gehoben worden sein, denn in der
späteren Zeit begegnen wir mehreren weiteren Verordnungen, welche das
gleiche Maass und Gewicht für das ganze Königreich vorschreiben, so
namentlich in der Magna Charta König Johann’s, ja sogar noch in einer
1494 unter Heinrich VII. gegebenen Parlamentsacte.
Aeltere Etalons des älteren Yards sind wohl nicht mehr vorhanden.
Nach Muncke?°) ist ein in der Schatzkammer von Westminster vor-
handener Maassstab aus dem Jahre 1588 der älteste noch existirende;
dasselbe nimmt Karsten) an, während Bessel5) ausserdem eines
noch älteren, der ebendaselbst, wahrscheinlich seit den Zeiten Hein-
rich’s VIl., aufbewahrt wird, gedenkt. Diese Maassstäbe waren freilich
nicht ausgestellt. Dass indessen ältere, wie die aus den Zeiten der
!) Miller, On the Construction of the New Imperial Standard Pound,
and its Copies of Platinum; and on the Comparison of the Imperial
Standard Pound with the Kilogramme des Archives. Philosophical Trans-
actions of the Royal Society. V 146, 1856, p. 753; auch Norris, An
Inquiry to show, what was the ancient English Weight and Measure
according to the Laws or Statutes prior to the Reign of Henry the
seventh. Phil. Trans. T. 65, 1775. 2) Clarke, Treatise on the connexion
of Roman, Saxon and English Coins, p. 97; auch Miller, a. a. O. 753.
®) Muncke, Artikel Maass in Gehler’s physikal. Wörterbuche V:E1289:
*) Karsten, Allgemeine Encyclopädie der Physik I, 462. 5) Bessel,
Schumacher’s Jahrbuch für 1840, 125.