‘ Bedeutung des Oeffnungswinkels. 401
rung und Intensitätsabstufung der Strahlen übereinstimmend ist —
was beides durch viele frappante Thatsachen des Experiments und der
gewöhnlichen Beobachtung illustrirt wird.
Es bedarf nur noch des Hinweises auf bekannte Lehrsätze der
Optik, um von dieser Grundlage aus die Function und Bedeutung des
Oefinungswinkels in aller Bestimmtheit charakterisiren zu können.
Je grösser die Theile eines körperlichen Gebildes im Verhältniss
zur Länge der Lichtwellen sind, in einem desto engeren Winkelraum
verlaufen die durch die Beugung erzeugten Strahlen; je kleiner diese
Theile, in desto breitere Lichtbüschel löst die Diffraction die einfallen-
den Strahlen auf. So lange demnach eine Structur, was immer auch
ihre Form und Gliederung sein mögen, in den Dimensionen ihrer Theile
noch ansehnliche Vielfache der Wellenlänge umfasst, bleibt alles ge-
beugte Licht von merklichem Intensitätsantheil in einem kleinen Win-
kelraum um die Richtung des directen (ungebeugten) Strahles zusammen-
gedrängt. In diesem. Falle reicht ein kleiner Oeffnungswinkel des
optischen Systems aus, um das gesammte Licht zur Wirkung zu bringen;
solchen Objeeten gegenüber ist also die obige Bedingung einer con-
formen Abbildung leicht erfüllt. Hierauf beruht es, dass von Gegen-
ständen, deren Theile nur auf die Zehntel des Millimeters herabgehen,
schon das freie Auge bei einem Oeffnungswinkel von nur !/, bis 1 Grad
vollständige, d. h. geometrisch ähnliche Bilder auf der Netzhaut ent-
wirft, und dass bei den gröberen Objecten des mikroskopischen Studiums,
deren Theile sich noch in den Hundertsteln des Millimeters bewegen, das
Mikroskop, auch bei mässigem Oeffnungswinkel des Objectivs, unbe-
dingte Aehnlichkeit des Bildes mit dem Gegenstand gewährleistet. Je
mehr aber die Theile eines Gebildes auf kleine Multipla der Wellenlänge
oder gar unter deren einfachen Betrag herabgehen, desto weiter ent-
fernen sich abgebeugte Strahlen von noch merklicher Intensität aus
der Richtung des directen Strahles; und zwar umfasst bei schr kleinen
Dimensionen der Theile selbst der volle Winkelraum der Halbkugel
noch nicht das gesammte, der Structur charakteristische Beugungs-
phänomen, wofern nicht zugleich das umgebende Medium durch einen
hohen Brechungsindex eine Verkürzung der Wellenlänge selbst herbei-
führt. Mit abnehmenden Dimensionen wird daher ein immer grösserer
Oeffnungswinkel des optischen Apparates nöthig, um noch den ganzen
Beugungsbüschel bis zur Grenze minimaler Intensität aufnehmen zu
können; und zuletzt ist auch dem grössten herstellbaren Oeffnungs-
winkel unserer Mikroskope nur ein kleiner Theil des abgebeugten
Lichtes — die centrale Partie des gesammten Beugungsphänomens —
zugänglich. Je kleiner dieser Theil nun wird, desto weiter entfernt
sich das mikroskopische Bild von einer blossen Projection der wirklichen
Structur, desto mehr verschwinden in ihm die individuellen Merkmale
des Objectes und geht es über in eine schematische Darstellung gewisser
Londoner Ausstellung wissenschaftlicher Apparate. 236