404 Abbe, optische Hülfsmittel der Mikroskopie.
kommenheit der Strahlenvereinigung , beanspruchen mögen, jedenfalls
giebt der Oeffnungswinkel, in der angegebenen Weise bemessen, indem
er das Unterscheidungsvermögen seiner möglichen Höhe nach bestimmt,
die letzte Norm für die optische Capacıtät des Instruments. Die Ge-
schichte des Mikroskops in diesem Jahrhundert enthält die mannig-
fachsten Belege für die Triftigkeit dieses Satzes.
Als nächste Folgerung zieht diese Lehre einen für die Bestrebun-
gen der praktischen Optik besonders belangreichen Schluss nach sich:
das Bestehen einer absoluten Schranke für die Vervollkommnung der
Trockenlinsen. In einem optischen Systeme, welches die abbildenden
Strahlen aus Luft oder durch eine Luftschicht als Zwischenmedium
erhält, kann das oben definirte numerische Maass der Apertur jeden-
falls nicht grösser als die Einheit werden. Da aber andere Rücksichten
—_ mindestens die Forderung eines gewissen freien Objeetabstandes —
der Annäherung an dieses Maximum an einem gewissen Punkte ein
Ziel setzen, so muss die Grenze des Unterscheidungsvermögens der
Trockenobjective in jedem Falle eine Grösse sein, welche die halbe
Wellenlänge des Lichtes in Luft noch übertrifft — immer diejenige
Farbe in Anschlag gebracht, welche die Abbildung jeweilig vermittelt.
Oeffnungswinkel von 105 bis 115 Grad, der numerischen Apertur
0,80 bis 0,85 entsprechend, hat die Optik seit langer Zeit mit günsti-
gem Erfolge ausgeführt. Unter starker Beschränkung des Arbeits-
abstandes und meist auch mit Preisgeben vollkommener Correction der
Randzone sind auch schon Trockenlinsen bis zu 130 Grad Oeffnungs-
winkel (etwa 0,90) construirt worden. Nach dem Sinus bemessen, stellt
aber dieser scheinbar erhebliche Zuwachs, wie die angeführten Ziffern
zeigen, doch nur wenige Procente des erstgenannten kleineren Betrages
vor, und ebenso minimal muss der Fortschritt sein, den man von einer
noch weiter getriebenen Annäherung an 180 Grad zu erwarten hätte.
Gegenüber den günstigeren Bedingungen, welche die Immersionsmethode
einführt, muss deshalb das Trockensystem — wo es sich nicht um die
praktischen Vorzüge, sondern um die äusserste Leistung des Mikroskops
handelt — als ein verlorener Posten erscheinen, wie gross auch sein
Werth für das mikroskopische Studium zu allen Zeiten bleiben wird.
Die Praxis hat dieser Ansicht seit lange Recht gegeben; die theo-
retische Deduction kann nur noch dazu dienen, die absolute Hoffnungs-
losigkeit aller Bestrebungen darzulegen, welche etwa, unter dem An-
trieb sehr berechtigter Wünsche der Gelehrten, dennoch auf diesem
Wege eine wesentliche Vervollkommnung des Mikroskops zu erreichen
suchen möchten. Einer solchen ist allerdings auch im Rahmen des
Trockensystems noch genug Spielraum gelassen in Hinsicht auf an-
dere, durchaus nicht unwichtige Punkte. In der eigentlichen optischen
Capacität aber wird diese Art von Objectiven niemals mit den Immer-
sionslinsen coneurriren können, was die englischen Optiker, in der