Full text: Bericht über die wissenschaftlichen Apparate auf der Londoner internationalen Ausstellung im Jahre 1876

  
  
  
  
  
  
406 Abbe, optische Hülfsmittel der Mikroskopie. 
bei den Mikroskopikern verschafft hatte, waren die Trockenlinsen noch 
merklich von ihrer heutigen Leistung entfernt. Oeffnungswinkel von 
60 bis 70 Grad dürfte das Höchste sein, was die Optik bis dahin mit 
wirklichem Erfolg erreicht hatte; Linsen mit erheblich grösserer Aper- 
tur, welche in jener Zeit schon construirt worden sein mögen, sind 
sicher so gut wie unbrauchbar gewesen, weil man die anderweitigen 
Bedingungen einer guten Abbildung, die Beseitigung der Aberrationen, 
noch nicht in entsprechendem Umfang zu erfüllen wusste. Wenn also 
die Immersionsobjective in ihren Anfängen auch nur diejenige Apertur 
erreichten, welche heute den inzwischen vervollkommneten Trocken- 
linsen eigen ist, so musste ihre Einführung doch schon einen sehr an- 
sehnlichen Fortschritt vorstellen. Immersionsobjective aber, welche ım 
vorigen Jahrzehnt als auf der Höhe der Zeit stehend angesehen waren, 
zeigen, soweit ich Gelegenheit gehabt habe, solche zu untersuchen, fast 
durchweg einen Oeffnungswinkel, dessen numerisches Aequivalent knapp 
die Einheit erreicht oder nur um Weniges überschreitet. Sie sind mit- 
hin nach ihrer optischen Capacität etwa gleich zu setzen einem idealen 
Trockenobjectiv von vollen 180 Grad Oeffnungswinkel und decken mithin 
eigentlich nur das Defieit, welches die wirklich ausführbaren Objective 
dieser Art im Vergleich mit dem Ideal übrig lassen. Nichtsdestoweni- 
ger stellt auch dieser Unterschied wiederum einen ganz ansehnlichen 
Vorsprung vor den bis nahe an die Grenze des Möglichen vervoll- 
kommneten Trockenlinsen dar, der sich ziffermässig durch das Ver- 
hältniss 1 : 0,8 annähernd angeben lässt. 
In der Zwischenzeit hat nun noch ein weiterer Fortschritt statt- 
gefunden, indem die Optiker durchweg höhere Oeffnungswinkel mit 
Erfolg erreicht haben. Seit 1871 construirt C. Zeiss in Jena Immer- 
sionslinsen, deren numerische Apertur p. p. 1,10 beträgt; nahe um die- 
selbe Zeit oder wenig später scheint auch Tolles in Boston dasselbe 
gelungen zu sein. Gegenwärtig ist dieser höhere Betrag ohne Zwei- 
fe] von allen Optikern erreicht, deren Leistungen mit den wachsenden 
Ansprüchen der Zeit Schritt gehalten haben, und stellt demnach das 
durchschnittliche Niveau dar, welches die Gegenwart in Bezug auf die 
Vervollkommnung des Mikroskops im Punkte des optischen Vermögens 
erreicht hat. Tolles dürfte der einzige Optiker sein, welcher zur 
Zeit über diesen Punkt noch um ein Weniges hinausgegangen ist, in- 
dem er Objective von mittlerer Brennweite (4”) construirt hat mit Oeff- 
nungswinkeln, die, auf ein Medium vom Brechungsindex 1,5 bezogen, 
104 Grad, also die numerische Apertur 1,18 erreichen. 
Trotz Allem, was von manchen Seiten geschehen ist, die höchst 
einfache und klare Sachlage in dieser Angelegenheit künstlich zu ver- 
dunkeln — wovon namentlich der lächerliche Streit über die „aperture- 
question“, der sich seit Jahren in der englischen mikrographischen 
Literatur fortspinnt, ein Beispiel giebt —, ist demnach als Thatsache
	        
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