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trag über „Die elektrische Beleuchtung in ihrem Konkurrenzverhältnis zum Gas“
folgendermaßen:
„Das Gebiet der Beleuchtungsindustrie, das Lichtbedürfnis ist so unermeßlich,
schreitet mit der steigenden Zivilisation in so großartigem Maßstabe fort, daß wir
jeden neuen Zuwachs der Lichterzeugung nur im allgemeinen Interesse freudig be-
grüßen und uns nicht ängstlichen Befürchtungen hingeben sollen. Dem Kienspan
und der Fackel des Altertums folgten die Thran- und Oellampen, Wachs, Talg,
Paraffin, Stearin, Schieferöl, Solaröl, Photogen, und wie alle die unzähligen festen
und flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen heissen, die zu Beleuchtungszwecken
dienen, traten nach und nach in Mitbewerbung, während zugleich das Beleuchtungs-
material in Gasform die großartigste Verbreitung fand. Die Erde selbst öffnete
endlich ihre Quellen und bot den herrlichsten Beleuchtungsstoff, das Petroleum, in
unglaublicher Fülle dar. Bei jedem neuen Beleuchtungsstoff, der auftauchte, fürchtete
die Kurzsichtigkeit für die industrielle Existenz des anderen, glaubte an eine Ueber-
produktion von Licht. Und doch ordnete sich alles, je nach seiner Eigenart, für
Erfüllung der unendlich verschiedenen Beleuchtungszwecke, in den ungeheuren, stets
sich erweiternden Rahmen des Lichtbedürfnisses harmonisch ein; vom teueren Wachs
bis zum billigsten Petroleum fand und behielt jeder Beleuchtungsstoff seinen Platz
zum Gedeihen und Wachsen. Auch das elektrische Licht, dieser schärfste Konkurrent
der Sonne, wird nun in diesen Ring der Lichtindustrie eintreten, aber nur als eine
friedliche Ergänzung und Erweiterung, nicht als eine ertötende Konkurrenz.“
Hierzu bemerkte der vorerwähnte Elektriker W. Frischen: „Ich kann die
Ansicht des Herrn Vorredners in der Beziehung bestätigen, daß die Maschinen nicht
bedingungslos das Gaslicht zu ersetzen vermögen. Ich bin sogar der Ansicht, daß
sie dasselbe in keiner Weise ersetzen und dass sie niemals das Gaslicht verdrängen
werden. Aber die elektrische Beleuchtung wird sich in allen Fällen mit großem
Wert da anwenden lassen, wo das Gaslicht gar nicht anzuwenden ist.“
Nachdem inzwischen mehr als anderthalb Jahrzehnte vergangen sind, innerhalb
deren die Elektrotechnik einen ungeahnt schnellen Aufschwung genommen hat,
konnte im Jahre 1894 W. v. Oechelhäuser in seinem Berichte über den Besuch
der Weltausstellung in Chicago folgendes schreiben Ss
„Und wenn man mit diesen Thatsachen eines großartigen Vertrauens in die
Zukunft der Gasindustrie trotz so vielfältiger Konkurrenz noch die Verhältnisse ver-
gleicht, wie sie nicht etwa nur in New York, sondern in fast allen größeren
amerikanischen Städten vorliegen, wo, wie z. B. in Pittsburgh, neben einer grossen
Naturgas-Gesellschaft noch vier Gasgesellschaften existieren, welche künstliches
Gas produzieren, daneben noch mehrere elektrische Gesellschaften bestehen können, und
endlich dabei noch das aus unmittelbarer Nähe gewonnene Erdöl in grossen Mengen
verbraucht wird, — so muss man fast mitleidig über die bei uns in Deutschland
selbst in maßgebenden Kreisen noch vielfach verbreitete engherzige Anschauung
lächeln; als könnten die so verschieden gearteten Bedürfnisse nach Licht, Wärme
und Kraft überhaupt von einer einzigen Industrie befriedigt werden, als müsse
die eine die andere über kurz oder lang verdrängen und eine einzige Industrie als
Siegerin aus dem vielseitigen Kampfe hervorgehen! Vielleicht tragen auch unsere
heutigen Referate ein Scherflein dazu bei, solchen beschränkten, fast spießbürger-
lichen Gedanken, die bis in die jüngste Zeit immer wieder von neuem auftreten,
allmählich ein wohlverdientes Ende zu bereiten.“
Die Gasbeleuchtung hat sich jetzt bereits länger als anderthalb Jahrzehnte
trotz der häufigen Untergangsprophezeiungen neben dem elektrischen Lichte und
*) Journ. f. Gasbel. 1894, $. 510.