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Industrie der Teerfarben und noch zu manchen anderen chemischen Industrie-
zweigen her.
Seitdem die Gasanstalten angefangen haben, die bei der Fabrikation entstehen-
den großstückigen Koke durch Brechmaschinen zu zerkleinern, findet die Verwen-
dung derselben in Regulierfüllöfen und in gewöhnlichen Stubenöfen zum Heizen von
Wohnräumen immer mehr Anklang. Dadurch wird ein ganz erheblicher Beitrag
zur Beseitigung der Rauchplage geleistet. Je mehr Gas in einer Stadt verbraucht
wird, um so mehr Koke werden auf der betreffenden Gasanstalt verkäuflich, und es
ist ein durchaus gesunder Zustand, wenn die auf der Gasanstalt gewonnenen
Koke in der betreffenden Stadt verbraucht, also nicht erst durch Eisenbahntrans-
port verteuert werden. Bei den übrigen Nebenprodukten, Teer, Ammoniakwasser
und ausgenutzte Reinigungsmasse, ist die Verwendung am Orte nur in schwächerem
Maße erreichbar. Diese Materialien werden vielmehr teils im rohen Zustande, teils
nach vorheriger Verarbeitung im Wege des Handels nach neuen Fabrikationsstätten
geführt.
Darstellung und Verteilung des Gases und der bei seiner Fabrikation ent-
stehenden Nebenprodukte vollziehen sich in unauffälliger Weise, so daß das Interesse
des großen Publikums davon abgelenkt ist. Die nationalökonomische Bedeutung
dieser Industrie ist jedoch sehr groß; denn es wird in durchaus rationeller Weise
ein Rohstoff in wertvollere Produkte verschiedener Art mit verhältnismäßig kleinen
Verlusten an Material und mäßigem Aufwande an Arbeitslöhnen übergeführt. Der
Einfluß, welchen die Verarbeitung des Steinkohlenteers auf die Entwickelung der
modernen Chemie gehabt hat, ist ein so bedeutender, daß allein hierdurch die Gas-
industrie unermeßlichen Nutzen gestiftet hat. Auch die Verarbeitung des Stein-
kohlenteers zu Dachpappe, Holzzement, Kreosotöl, Karbolsäure, Lacken, Rost-
schutzmitteln u. dgl. ist auf das innigste mit der modernen Entwickelung der Technik
verwachsen. Die massenhafte und billige Herstellung von Ammoniakprodukten,
sowie auch die Verarbeitung der ausgenutzten Reinigungsmasse auf Ferrocyan, Blut-
laugensalz oder Schwefel nehmen wichtige Plätze in der Reihe der chemischen
Fabrikationsmethoden und im Handel ein.
4. Kapitel.
Leistungsfähigkeit und Wachstum der Gasanstalten.
$ 18. Leistungsfähigkeit.
Daß die Gasanstalten in ihrer jetzigen Gestalt fähig sind, selbst die größten
Bevölkerungszentren genügend mit Gas zu versorgen, lehrt ein Blick auf die Stadt
London, woselbst jährlich ca. 900000000 cbm Leuchtgas erzeugt und verbraucht
werden. Dies ist etwa soviel, wie ganz Deutschland zusammen in gleicher Zeit
braucht. Am Tage des stärksten Konsums werden in London ca. 4500000 cbm
Gas produziert. Dies ist etwa soviel, wie eine deutsche Stadt von 100000 Ein-
wohnern in einem ganzen Jahre verbraucht. Zur Versorgung von London sind zwei
große und vier kleinere Gasgesellschaften vorhanden, welche zusammen 21 Gas-
anstalten besitzen. Von den Gasanstalten stammen die meisten noch aus früheren
Zeiten. Man würde die Anzahl derselben schon längst erheblich vermindert haben,