6. Kapitel.
Gasanstalten als Lichtzentralen.
$ 25. Verbreitung der Gasanstalten.
Obgleich schon in den ersten Jahren nach der Erfindung der Gasbeleuchtung
die Verwendbarkeit des Gases zu anderen als Beleuchtungszwecken von verschiedenen
Seiten erkannt wurde und auch sehr beachtenswerte Versuche in der Verwertung
des Gases zu anderen als zu Beleuchtungszwecken gemacht wurden, so haben den-
noch die Gasanstalten viele Jahrzehnte hindurch nahezu ausschließlich als Licht-
zentralen gedient. In der Konsumstatistik der Deutschen Kontinental-Gasgesellschaft
wurde zuerst im Jahr 1879 das Gas für Heizung und Kraftentwickelung als besondere
Kategorie ausgeschieden; der betreffende Konsum betrug damals nur 1,90% des
Gesamtkonsums. Die Beleuchtung von Fabriken und die Straßenbeleuchtung waren
die ersten Hauptaufgaben der Gasanstalten, zu denen sich die Privatbeleuchtung
gesellte. Die Hauptkonkurrenten der Gasbeleuchtung waren bis zur Einführung der
Petroleumbeleuchtung die Oel- und Kerzenbeleuchtung, denen gegenüber das Gas-
licht erheblich im Vorteil war. Dennoch hat sich die Gasbeleuchtung ihr An-
wendungsgebiet nur allmählich erobern können, und es hat sich von jeher gezeigt,
daß die verschiedenen Beleuchtungsarten ihre Absatzgebiete nebeneinander finden,
und daß es sehr kurzsichtig ist, wenn man behauptet, es werde die eine von den
verschiedenen Beleuchtungsarten eine andere ganz verdrängen.
Wenn man die Anzahl der vorhandenen Gasanstalten mit der Anzahl der vor-
handenen Ortschaften und mit der Einwohnerzahl vergleicht, so zeigt sich, daß noch
sehr viele Ortschaften ohne Gasbeleuchtung bestehen, die nach ihrer Einwohnerzahl
damit versehen sein könnten, und daß der größte Teil der Einwohnerschaft Deutsch-
lands, d. i. die Landbevölkerung, die Gasbeleuchtung entbehrt.
s Die Anzahl der Ortschaften und die Verteilung der Bevölkerung in Deutsch-
land geht aus der nachstehenden Tabelle hervor.
Verteilung der Bevölkerung im Deutschen Reiche.
| I] ts
| Anzahl | { = i | Prozent der Gesamt-
| der Ortschaften Anzahl der Einwohner bevölkerung
Ja ber Jahr Iahr
1871 1880 | 1890 1871 1880 1890 1871 | 1880 | 1890
1. Großstädte mit mehr
als 100 000 Einw. 8 14 26|| 1968000 | 3273 000| 5 994 000 4,3 1,2.1.210%%
2. Mittelstädte mitmehr
als 20 000 Einw. . 75| 102| 124|| 3147000| 4027000| 4 653.000 Er 8,9 9,4
3. Kleinstädte mit mehr
als 5000 Einw. . . 529 | 641| 683 || 4588000 | 5671000] 6054000|| 11,2| 12,6| 12,9
4. Landstädte mit mehr
als 2000 Einw... . 117161950 |1951|| 5086 000| 5749 000| 5806 000|| 12,4 | 12,7| 12,3
5. Dörfer u. Gehöfte mit |
weniger als2000E. || ? ? ? 1126 219 000 | 26 514 000 | 26 377 000 || 63,9 | 58,6| 53,3
Summa | 2328 | 2707 | 2784 - 008 000 | 45 234 000 | 48 884 000 | 100 | 100 | 100
I | I
Es sind also noch nicht einmal alle Städte mit mehr als 5000 Einwohnern mit
Gasbeleuchtung ausgerüstet; denn die Anzahl der Groß-, Mittel- und Kleinstädte
zusammen betrug nach Vorstehendem im Jahre 1871: 612, 1880: 757, 1890: 838.
Die Anzahl der in Deutschland vorhandenen Gasanstalten betrug aber nach der
neuesten Statistik von Schilling jr. erst 724.