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befinden. Wer weiß oder wissen muß, wie subtil ernsthafte Untersuchungen über die
Erfolge aller unserer Trinkwasserreinigungsverfahren durchgeführt werden müssen und
wie wenig man die an einer Stelle gewonnenen günstigen oder ungünstigen Erfahrungen
verallgemeinern darf, der hätte die Pflicht von feuilletonistischen Verallgemeinerungen
abzusehen und nüchtern an der Prüfung mitzuarbeiten, ob und unter welchen Umständen
dem Wasser zugesetzte Stoffe bei längerem Genuß unangenehm oder gar schädlich wirken
können und hierauf, aber nicht auf laienhafte Gefühlswallungen sein Urteil zu gründen,
in Fragen wir uns doch einmal, welches die Wirkung unserer allgemein anerkannten
Nich Langsamsandfilter ist. Ist die Reinigung durch die sogenannte Filterschmutzschicht
hindurch etwa appetitlicher als die unter strengster fachmännischer Aufsicht erfolgende
Zugabe reiner chemischer Mittel? Ist die Keimzahl 100, die wir beim Betrieb langsamer
Sandfilter notgedrungen zulassen müssen, etwa ein glänzendes Zeugnis ihrer Wirkung ?
Wie steht es mit ihrer Wirkung gegenüber den im Wasser gelösten Stoffen: Eisen, Kalk,
Magnesia, von den organischen Stoffen ganz zu schweigen ?!
Mit Recht weisen Bitter und Gotschlich darauf hin, daß es im Grunde nur quanti-
tative Differenzen sind, welche die Langsamfilter von den Schnellfiltern mit chemischer
Vorbehandlung unterscheiden: Die fundamentalen Anforderungen der Ausbildung einer
filtrierenden Decke unter Einhaltung einer kontinuierlichen Filtergeschwindigkeit haben
sich hier wie dort bewährt; das Verhältnis der Retention der Bakterien des Rohwassers
zu den verschiedenen Schichten des Filters, wie es im Piefkeschen Diagramm zum Aus-
druck gelangt, ist hier wie dort dasselbe; dasselbe gilt von der Bedeutung und Herkunft
der ım Filtrat auftretenden gewöhnlichen Wasserbakterien und andererseits von ihrer
Verwertbarkeit als Indikator für den Filterbetrieb; ja sogar dieselbe Grenzzahl der Bak-
terien im Filtrat kann für die praktische Kontrolle beider Systeme gelten. Verschieden
ist nur das quantitative Retentionsvermögen der Filterdecken je nach den Bedingungen
ihrer Entstehung und ihres Aufbaues, und demgemäß das dieser verschiedenen Resistenz
entsprechende Maximum der zulässigen Leistung.
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Auch wir sind der Meinung, daß man chemische Mittel erst anwenden soll, wenn
Gleichwertiges nicht auf billigere Weise zu erhalten ist und wenn wir gegenüber den
chemischen Wasserreinigungsverfahren Vorsicht empfehlen, so geschieht das, weil sie —
wie jedes Verfahren — Mängel besitzen und noch weiteres Studium erfordern, aber nicht
deshalb, weil bei ihnen chemische Zusätze in Frage kommen.
Zum Schluß wollen wir diejenigen Punkte besprechen, welche unserer Ansicht nach
für das weitere Studium hauptsächlich in Frage kommen. Dabei leisten die vorhandenen
Anlagen die wertvollsten Dienste. Ihre Untersuchungen werden dann am richtigsten
sein, wenn sie häufig, auf gleicher Basis und mit größeren Wassermengen und Lauf-
zeiten durchgeführt werden.!) Dabei wird sich feststellen lassen:
1. Das Verhalten und die Wirkungen der einzelnen Zusatzmittel bei den verschie-
denen Arten von Rohwasser, namentlich in bakterieller Beziehung.
9. Welche Kombinationen von Reinigungsverfahren in den Einzelfällen angezeigt
sind und welches die richtige Reihenfolge der Anwendung ist. Namentlich in dieser
Beziehung sind noch ganz wesentliche Fortschritte von systematischer Forschung zu
erwarten.
1) Über Beaufsichtigung chemischer Wasserreinigungsanlagen vgl. Wehrenpfennig:
Untersuchung und Weichmachung des Wassers, Wiesbaden 1905 und Zeitschr. f. angew.
Chemie, 1906, Bd. 19, S. 1987 und. 2023.