2
Wegen der großen Verschiedenheit der einzelnen Wässer und ihrer Verwendungsart
sind mit der Zeit aus den Hauptreinigungsmethoden eine große Anzahl von Kombinations-
methoden entstanden, so daß heute mehr Wässer nach kombinierten als nach einfachen
Verfahren gereinigt und verbessert werden.
Die Wahl des Reinigungssystems hängt ab:
. Von der Natur des Rohwassers.
. Von den örtlichen Anforderungen an das Reinwasser.
. Von den örtlichen Kosten der Verfahren.
. Von der Möglichkeit und Notwendigkeit’ der Überwachung und Unterhaltung
der Reinigunpsanlagen.
Popp
II. Über Kolloide. Die außerordentliche Bedeutung, welche die Kolloide in der
Wasserreinigungstechnik besitzen, veranlaßt uns hier das Allerwichtigste über ihre
Eigenschaften kurz zusammenzustellen.
Die Kolloide. stehen im Gegensatz zu den .kristallisierten und kristallinischen
Stoffen, welche mit ihren Lösungsmitteln sogenannte wirkliche Lösungen ergeben,
während die kolloiden Stoffe in Verbindung mit: ihren Lösungsmitteln den Suspensionen
näher stehen.. Vielleicht bestehen zwischen den eigentlichen Lösungen, den kolloiden
Lösungen und den Suspensionen im wesentlichen nur 'graduelle Unterschiede, abhängig
von der Feinheit der Zerteilung eines Stoffs in seinem Lösungsmittel.
Bringt man die wässerige Lösung eines Gemenges von Gelatine, Kochsalz und Zucker
in ein Gefäß, das mit einer tierischen Membran oder mit Pergament verschlossen wird, und
taucht das Gefäß mit der Membran (dem ‚„Dialysator‘“) nach unten in Wasser ein, so
dringen Kochsalz und Zucker durch die Membran in das Wasser, sie „‚diffundieren‘“, während
die Gelatine zurückbleibt. Den Diffusionsvorgang nennt man „Osmose“ und bezeichnet
die diffundierenden Stoffe als Kristalloide, die nicht diffundierenden als Kolloide.
Wahrscheinlich liegt der Unterschied zwischen beiden Stoffarten nur in der verschiedenen
Zeitdauer bis zum Ablauf der Diffusion. Jedenfalls aber gelingt es, auf die eben bezeichnete
Art und Weise eine Trennung zwischen Kristalloiden und Kolloiden herbeizuführen.
Für die kolloiden Lösungen ist ferner charakteristisch das sogenannte Tyndallsche
Phänomen, worunter man die Erscheinung versteht, daß ein Lichtstrahl, der mittels einer
Linse durch eine kolloide Lösung hindurchgeschickt wird, scharf abgegrenzt erscheint.
Die Verteilung der Kolloide in ihren Lösungsmitteln ist eine so feine, daß sie nur
mittels des Ultramikroskops wahrgenommen werden können. Dabei erscheinen die einzelnen
Teilchen als leuchtende in rascher Hin- und Herbewegung befindliche Pünktchen
(„Brownsche Bewegung‘).
Die in ihrem Lösungsmittel befindlichen kolloiden Teilchen besitzen elektrische
Ladung. Mischt man zwei kolloide Lösungen mit entgegengesetzten Ladungen, so
fällen sich die beiden Kolloide gegenseitig aus, indem sie gegenseitig ihre Ladung aufgeben.
Von dieser Erscheinung hat man in der Wasserreinigungstechnik erstmals bei dem Wasser-
werk der Stadt Posen Gebrauch gemacht, indem man die Huminstoff-Färbung eines Tiefen-
grundwassers und den Eisengehalt eines Flachgrundwassers durch Vermischung gegenseitig
aufhob.
Ein weiteres Mittel Kolloide aus ihren Lösungen auszufällen besteht darin, daß man
die Lösungen unter Zugabe einer geringen Menge irgend eines Salzes in lebhafte Bewegung
bringt.
Man nennt kolloide Lösungen ‚Sole‘, mit Wasser als Lösungsmittel „Hydrosole“.
Sie bestehen aus wenigstens zweierlei Arten von räumlich getrennten Stoffen: einer Flüssig-
keit, und einem anderen in derselben zerteilten festen oder flüssigen Körper. Diese Teile
eines Sols nennt man seine „Phasen“. Diejenige Phase, deren Teilchen in stetigem Zu-
sammenhang stehen, nennt man das Dispersionsmittel, die aus voneinander getrennten
Teilchen bestehende Phase die disperse Phase.