322 Vıromow: Beiträge zur physischen Anthropologie
der sphenoidealen, die oceipitale genannt habe.!) Sie hat keineswegs
den Einflufs auf die Erzeugung einer prognathen Kieferstellung, wel-
chen ich von der sphenoidealen Kyphose beschrieben habe.
Wesentlich anders gestaltet sich das Verhältnifs, wenn die haupt-
sächliche Druckrichtung vor die Gelenkhöcker fällt. Alsdann wirkt
der Druck der vorderen Theile des Atlas und noch mehr der des Zahn-
fortsatzes vom Epistropheus unmittelbar gegen die Apophysis basilaris und
zwar zunächst auf den hintersten Theil derselben bis etwa zum Tuberceulum
pharyngeum hin. Hier entsteht zunächst keine Biegung, son-
dern eine wirkliche Usur oder Druckatrophie. Es bildet sich
nach und nach eine Grube, und zwar auf Kosten der corticalen Knochen-
substanz; später wird daraus eine tiefe Aushöhlung, welche so weit in
den Knochen vorrücken kann, dafs zuletzt von der dieken Masse der
Apophysis nur noch ein Knochenblatt von der Stärke eines Papierblattes
übrig bleibt. Spät erst wölbt sich diese Stelle wirklich gegen den Schä-
delraum empor, die Fläche des Olivus erhebt sich, und der ganze Olivus
nimmt mehr und mehr die Form eines flachen, fast horizontal gestellten
Gewölbes an.
In diese Kategorie gehört die Mehrzahl der Leidener Fälle, welche
ganz ausgezeichnete Beispiele der progressiven Usur (concentrischen Atro-
phie) darstellen. Hier entspricht die Usurstelle genau der Druck-
stelle. Bei der hinteren Impression haben wir dafür, aufser der er-
wähnten Rinne zur Aufnahme des hinteren Bogenstückes des Atlas, welche
jedoch eine nur mäfsige Tiefe zu erreichen pflegt, keine andere Analogie,
als an den Gelenkhöckern selbst, welche, wie gesagt, zuweilen ganz ab-
geplattet, ja in extremen Fällen sogar ausgehöhlt werden. Der übrige
Eindruck im Umfange des Hinterhauptsloches ist nur eine mittelbare
Druckwirkung, indem diese Theile genöthigt sind, der veränderten Stel-
lung der Gelenktortsätze und der Ränder des Hinterhauptsloches sich an-
zupassen. Dies sind also ganz verschiedenartige Vorgänge, welche von
einander getrennt werden müssen. Ohne eine solche Trennung gelangt
man nicht zu einem Verständnifs der Vorgänge selbst.
1) Virchow, Entwickelung des Schädelgrundes S. 75.