1. Abschnitt
Die schwäbische und die niederalemannische
Mundart des Landes
A. Die Laute
Die Selbstlaute des Schwäbischen und des Niederaleman-
nischen haben wie die anderer Mundarten und älterer Sprach-
stufen in den Hauptsilben (d. i. in den Silben mit Hauptton)
und in den Nebensilben (d.i. in den Silben mit schwächerem
Tone oder ohne Ton) entgegengesetzte Entwicklung genommen.
In ersteren sind sie vielfach verstärkt, in letzteren zumeist
geschwächt worden.
Die Verstärkung der Selbstlaute der Hauptsilben be-
steht bei den kurzen-Lauten mittelhochdeutscher Stufe teils
in Dehnung zu einfachen langen Selbstlauten, teils in Spal-
tung zu Zwielauten. Beide Verfahren zeigt auch die neuhoch-
deutsche Schriftsprache. Genauere Betrachtung erweist aber die
Verstärkung im Schwäbischen und Niederalemannischen teils als
vom Verfahren der Schriftsprache abweichend, teils als örtlich
verschieden.
Insgesamt sind im Schwäbischen und Niederalemannischen nicht
weniger als 7 Hauptverfahren der Dehnung altkurzer Selbst-
laute erkennbar. Nämlich: 1. in allen altmehrsilbigen Wörtern, in
denen auf die Selbstlaute nicht schwere Mitlaute folgen (zu welch
letzteren alle Verbindungen mehrerer, auch gleicher Laute gehören
wie nn, ng, pf, Jf, 2 (ts), ck (kk), auch ch, das ursprünglich Doppel-
laut xy war, teilweise ebenso 2) so z. B. s@go (mhd. sagen) sagen,
oder sid» (mhd. siden) sieben, aber 3a/fo (mhd. schaffen) schaffen,
oder maxxo (mhd. mach(ch)en) machen, und Zupfa lupfen; —
2. in mehrsilbigen und einsilbigen Wörtern mit 2 und Reibelaut
(ns, nsch, nf) hinter dem Selbstlaut, hier mit Auflösung des %
und zumeist mit den Selbstlautformen, welche den entsprechenden
altlangen (mhd. &, © usw.) zukommen, daher teilweise mit Zwie-
lauten, so z. B. gäs, gdüs Gans, farst(o)r finster, fäif fünf,
6
H