Full text: Die weiße Frau

  
gehüllten menſchlichen Geſtalt folgte. Dieſes phantaſtiſche Weſen entfernte 
fi), ohne furchtvolle Haſt zu zeigen: am gegenüberliegenden äußerſten Ende 
der Galerie angekommen, verſ<hwand die Erſcheinung. 
Es gab, das wußte ich, keine Tür an dieſer Seite. Dieſes geheimnisvolle 
Verſchwinden ſeßte mi in Erſtaunen. Der Prinz aber warf die Kerze auf 
die Erde und begann zu unterſuchen, ob eine geheimnisvolle Tür an dieſer 
Stelle angebracht ſei. Er ließ ſeine Hände über die Mauer gleiten, {lug 
dagegen, um ſich zu verſichern, ob der Schlag nicht die Exiſtenz einer dieſer 
geheimnisvollen Ausgänge verriete, die in alten Schlöſſern ſo häufig ſind, 
aber nichts .…. nichts .… .! Da näherte ich mich, um ihm bei feiner Unter; 
ſuchung zu helfen. Bei meinem Anbli> zitterte er: „Noftis! haft Du ge; 
ſehen?“ — „Ja“, antwortete ich mit der größten Kaltblütigfeit, ich habe 
eine ganz in Weiß gekleidete Frau geſehen, die Eure Hoheit ...!” 
Er ließ mir nicht Zeit zu beenden. „Es iſ alſo kein Traum! Ja, ih 
habe ſie geſehen, .…. es iſt die Weiße Frau .….!“ 
Ich wollte mich überzeugen, ob ich nicht ebenſo wie der Prinz unter dem 
Einfluß einer Illuſion geſtanden hätte, und lief zur Wache, um mich zu 
informieren, ob jemand ſeit einer Viertelſtunde hereingekommen ſei. 
„Ich habe,“ antwortete der Soldat, „einen mit einem weißen Mantel 
umhüllten Mann gefehen. Habe ich Unrecht getan, ihn vorbei zu laſſen? 
Ich hatte keine Inſtruktion, Offiziere anzuhalten, und den, der herein, 
fam, habe ich, nach feinem weißen Mantel, für einen ſächſiſchen Offizier 
gehalten.“ 
Kein Zweifel mehr, es war eine Wirklichkeit. Der Prinz, der mit Un- 
geduld die Antwort des Poſtens erwartete, hatte ſeine Kaltblütigkeit 
wiedergewonnen. 
„Schweigen ...” ſagte er zu mir, „Schweigen auf ewig”. ..! Und er 
betrat den Saal wieder, ohne irgend jemandes Aufmerkſamkeit zu erregen. 
Einige Gäſte hatten unſere plögliche Abweſenheit wohl bemerkt, aber 
in eine lebhafte Unterhaltung vermidelt, hielten fie fich bei dieſem Umſtand 
nicht auf und keiner bemerkte die Nachdenklichkeit, die das Geſicht des Prinzen 
in dieſem Augenbli>e ausdrüte. 
Am folgenden Morgen war der Prinz mit Tagesanbruch zu Pferde: 
man konnte auf den erſten Bli glauben, die peinlichen Erinnerungen des 
vorhergehenden Abends ſeien aus ſeinem Gedächtnis ganz verſchwunden. 
Für die, denen das Geheimnis der Nacht unbekannt war, hatte er ſeine 
gewöhnliche Haltung. Mir aber war es nicht {wer zu verſtehen, daß, troß 
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