Überfeßung bei Nentfch, Brandenb. CedersHain. Bareut 1682 ©. 318— 319):
Es ruhen in dem Tempel dieſes Kloſters auch zwei Kindlein, ein Knabe und
ein Mädchen, von dem orlamündiſchen Grafen und deſſen Gemahlin, einer
meraniſchen Herzogin, von ihrer eigenen Mutter, die auf der Plaſſenburg
wohnte, vor ungefähr zweihundert Jahren, kaum zwei Jahre alt, auf
graufame und jämmerliche Weiſe ermordet. Dieſe Mutter nämlich war
Witwe geworden und verliebte ſich, lüſtern und geil, wie fie war, und wegen
ihrer Schönheit weit und breit berühmt, in einen gewiſſen Albrecht, den
jungen und kräftigen Burggrafen von Nürnberg, Sohn des Grafen Fried;
ri von Zollern, der ihre Liebe mit gleicher Heftigkeit erwiderte. Dieſer
Albrecht ſoll etliche Male öffentlich geäußert haben, er wäre geneigt, die
plaſſenburgiſche Witwe zu heiraten, wenn ihm nicht vier Augen im Wege
ſtänden; und als dieſe Äußerung der von heißer Liebe entbrannten Frau
zu Ohren fam, tötete fie alsbald in ihrem Liebeswahn mit ihrer eigenen
Hand ihre Kinder, indem fie ihnen eine Nadel in den Kopf ſtieß, damit dieſe
mütterliche Untat nicht ſo leicht erkannt werde und ſie deſto leichter die
Meinung verbreiten könnte, die Kinder ſeien von einer Krankheit plöglich
dahingerafft worden. Den Ausgang und die Kataſtrophe dieſer traurigen
Geſchichte wird man dereinſt in dem Buche „Urſprung und Monumente
| des Kloſters Grundlach“ leſen. Dieſe unſchuldigen jungen Märtyrer habe
ich mit meinen eigenen Augen geſehen und mit meinen Händen betaſtet.
Das Mädchen war noch ganz unverſehrt, als ſei ſie erſt vor einem Jahre
verblichen, ſo gar niht war an ihm zu bemerken, was einer Aſche ähnlich
war. Dagegen begann des Knäbleins Bruſt von der Feuchtigkeit und dem
Waſſer, das zur Winterzeit von der {wizenden Mauer auf den zunächſt
anſioßenden Sarkophag herabfloß, einigermaßen in Aſche ſich aufzulöſen,
der Kopf aber und die Schultern und Schenkel waren noch unverſehrt und
ohne die geringſte Änderung. So hat die göttliche Majeſtät in wunderbarer
Weiſe gezeigt, wie unſchuldig dieſe Kindlein umgekommen find, deren
Seelen wahrlich am Tage des Jüngſten Gerichtes gegen die grauſame und
unmenſchliche Mutter ſchreien, welche ihres eigenen Blutes nicht verſchonte,
um uur ihrer unſinnigen und verabſheuungSwürdigen Liebe genießen zu
können. So wahr iſt das Wort Senecas: „Lieben und weiſe ſein iſt ſelbſt
den Göttern nicht gegönnt.“
Der zweite Gewährsmann, Johann Löer, Pfarrer zu Mellendorf, ſtellt
in ſeiner „Himmelcroniſchen Cloſter-Beſchreibung in alten Teutſchen
Reimen“/28) 1559 den Vorgang ähnlich dar. Den Namen der Gräfin nennt
er ebenſowenig wie Bruſchius.
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