Full text: Die weiße Frau

  
zu ſehen; ebenſo im Frauenkloſter Au bei Maria-Einſiedel, in Dillingen 
Erde vom Grabe der unſchuldigen Kinder.) 
Als Bruſchius, der 1552 die Sage zuerſt feſtgelegt hat, das Kloſter 
Himmelskron beſuchte, lebte noh die legte Äbtiſſin Margarete von Döla 
(Döhlau). 1548 war ſie proteſtantiſ< geworden und ſaß nun vereinſamt 
in einem ihr angewieſenen Stüblein. Im Kloſter lebte niemand mehr, der 
über ſeine Geſchichte, Überlieferungen, Denkmale hätte berichten fönnen. 
Im Dorfe aber war die alte Überlieferung bereits ſeit dem Reformationsjahr 
1524 ausgelöfcht. Was es für eine Bewandtnis mit den beiden Kinder- 
leichen hatte, die im Kloſter zu ſehen waren, wußte niemand mehr. Die 
beiden rätſelhaften Kinder — ſpäter trat dafür der angebliche Kinder- 
grabftein mit den beiden Genien —, das angebliche Grab Albrechts des 
Schönen im felben Klofter5t) in der Nähe der Plaſſenburg wurden, da fie 
Örtlich zufammenlagen, auch innerlich zuſammengebracht : es mußten Doch 
feine Kinder ſein! Auch den Grabſtein der Weißen Frau glaubte man 
lange Zeit in Himmelsfron zu haben, bis ſih auch das als Irrtum heraus- 
ſtellte. Als 1486, wenn nicht ſchon früher, das Gerücht ging, ein Geiſt in 
weißem Gewande ſpuke auf der Plaſſenburg, da mochte mancher Betrachter 
der findlichen Leichname an die Gräfin von Orlamünde-Plaſſenburg denken, 
wie er ſie im Kloſter Himmelsthron zu Gründlach auf ihrem Grabſtein ge- 
ſehen hatte, als ſtrenge, falte, weiße Frau! Auch hier war ein Rätſel zu 
lôſen: Warum war ſie in jungen Jahren ins Kloſter gegangen? Doch 
ficherlich, um eine {were Schuld zu büßen! In demſelben Gewande 
zeigte ſich der Geiſt in Bayreuth; alſo war es die Orlamünder Gräfin doch 
wohl, die ihre beiden unſchuldigen Kinder gemordet hatte und nunmehr 
ruhelos umherwandelte! Der Burggraf Albrecht aber, der nach dem Glauben 
der Bewohner an demſelben Ort wie die Kinder beigeſeßt war, müßte alſo 
wohl ihr Vater und der Liebhaber dieſer Gräfin von Orlamünde geweſen ſein. 
So wurde für das unerklärliche Daſein der beiden unſchuldigen Kinder 
eine Urſache geſucht, in Kombination mit dem angeblichen Grabe Albrechts 
und dem Grabſtein Kunigundens im weißen Ziſterzienſerinnenkleid und 
{ließli< mit Erſcheinungen eines ſpukenden Geiſtes im weißen Gewande 
die Löſung gefunden. Doch iſt zu beachten, daß die mit einer geſchichtlichen 
Perſönlichkeit verknüpfte Sage erſt ſpät entſtand — erſt 1486 wird von der 
erſten Erſcheinung der Weißen Frau in Bayreuth berichtet, und 1552 erzählt 
Bruſchius die Sage von der Ermordung der Kinder durch die Orlamünder 
Gräfin —, und ferner, daß e8 fich urſprünglich um zwei verſchiedene Sagen- 
bildungen handelte, um die des orlamündiſchen Kindermordes und, getrennt 
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