Full text: Die weiße Frau

  
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urteilt: „Die Weiſſe Frau, welche hin und wieder vor ein weißgekleidetes 
Geſpenſt angegeben wird, haben die Teutſchen überhaupt unter die Penates 
mitgerechnet .….. S. 185: Wie nun die familiares dii inſonderheit die 
Gefpenfter ausmachen, fo werden auch die Frau Holde oder Holle in Erfurt 
und im VBogtlande, wie die witte Vrov... nach eingeführter chriſtlicher 
Religion, als Geſpenſter angeſehen, welche im Heydenthume als Haus; 
sößen verehrt wurden“. 
Die alten Germanen haben dem Weib beſondere Achtung entgegen- 
gebracht, ſie fahen in ihm jenes „sanctum aliquod et providum“ wohnend, 
von dem Tacitus, Germania 8 ſpricht, d. h. die Gabe der Prophetie. 
Das Weib, begabt mit dem „nächſten Sinn“, der die unſichtbaren Kräft- 
quellen des Lebens fich zu erſchließen weiß und zu Weisfagungen und 
Schi>ſalskündung befähigt, ſchaut die Zukunft in Geſichten und Träumen. 
Darum haben die Germanen das weibliche Weſen vergöttlicht (Tacitus, 
Hiſtor. 4, 61). Nach dem anſchaulichen Bilde, das uns Strabon, Geograph. 
7,2 von den prieſterlichen Wahrſagerinnen, die das Heer der Kimbern be- 
gleiten, entwirft, gingen die grauhaarigen, barfüßigen Weiber auch in 
weißen Kleidern und Mänteln von feinem Linnen einher. Jedoch auch 
bei den Primitiven Zentralafrikas und Melaneſiens wird meiſt eine Frau 
direkt oder indirekt für das Hereinbrechen des Todes in die Menſchheit 
verantwortlich gemacht.) Überall in der Welt iſt alſo die Frau, nicht 
der Mann, als ſtärker mit der Natur verbundenes Weſen in Verbindung 
mit dem Übernatürlichen gebracht worden. Die Geftalt der Weißen Frau 
ift an fich eine allgemeine Figur. 
Weiße Frauen heißen alle dieſe Erſcheinungen, weil ſie weiße Kleidung 
tragen.) Und zwar muß man annehmen, daß die Verſtorbenen deshalb 
im weißen langen Gewande wiederkommen, weil ſie im weißen Leichenhemd 
dem Grabe entfleigen. Weiß waren nämlich in der Regel die Sterbekleider 
der Frau. Ausnahmen wie bei der Wöchnerin, die zur Trauer über das 
verlaſſene Kind hie und da ſpäter {warz gekleidet in den Sarg gelegt 
wurde, werden ausdrüdlich vermerkt.) Wie im Grimmſchen Märchen 
„Das Dotenhemdchen“ das verſtorbene Büblein in ſeinem weißen Toten- 
hemdchen, das von den Tränen der weinenden Mutter naß iſt, erſcheint — 
ebenſo das Kind mit dem Tränenkrüglein in einer Schar weißgekleideter 
Kindergeſtalten, anderer geſtorbener Kinder®®) —, ſo trägt auh Frau Holle 
als Führerin der Kinderſchar das weiße Gewand der Toten. 
Weiß ift aber auch die Farbe der abgeſchiedenen Seelen und fchlieglich 
des Todes und der Trauer. Beſonders in flavifchen Gebieten hat man 
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