Tage {lief er und des Nachts war er wah“, heißt es begeichtendermeife
von einem toten Indianer in den „Indianermärchen aus Südamerika“
(Jena 1921S. 29) _
Dieſe unſeeliſche Vorſtellung im Totenglauben, dieſe Vorſtellung von
der Einheit des lebendigen Körpers vor und nach dem Tode, ift von Nauz
mann als „Präanimismus“ bezeichnet worden; es handelt fih um eine
im magiſchen Ideenkreiſe wurzelnde Religion.
Auf der unterſten Stufe der primitiven Kultur hatte man ſich um die
Leichen der Verſtorbenen nicht gekümmert. Man hatte ſie einfach liegen laſſen,
ſie ins Waſſer geworfen oder den Tieren zum Fraße überlaſſen. Auf der
zweiten Stufe, da man ein körperliches Weiterleben nah dem Tode annahm,
kannte man keinen Unterſchied von Leib und Seele. Die Lebenskraft, die
der Menſch vor dem Dode hatte, iſt auch troß des ſtarren Zuſtandes nach
dem Dode nicht von ihm gewichen. Auch die Leiche iſt mit Mana, Tondi
oder Orenda erfüllt.1°9 Und zwar kann ſich dieſe Kraft des Toten zwie-
fah äußern, ſie kann den Hinterbliebenen nüßen oder ſchaden. Hält man
fie für gut und nüglich, ſo ſucht man fie zu erhalten und zu verſtärken.
Aus dieſem Grund verſucht man die Leiche möglichft lange in gutem
Zuſtande zu bewahren, mumifiziert ſie oder verehrt ſie als wohltätige Re-
liquie. Sieht man aber die Kraft des Toten als böfe und fchädlich für
‚die Umwelt an, dann iſt man bemüht, den „lebenden Leichnam” uns
fhadlich zu machen.
Aus dieſer orendiſtiſchen Vorſtellung heraus verſteht man die Bemüh-
ungen der Hinterbliebenen, den Toten, der im allgemeinen mehr gefürchtet
als geliebt wird, an der Wiederkehr zu hindern. Die Grabbeigaben, wie fie
ſich ſeit der Steinzeit bis in die Gegenwart hinein finden, find Zeugen der
Verſuche, den Doten zufrieden zu ſtellen, damit er die Lebenden nicht be-
láſtige. Man findet in vor- und frühgeſchichtlichen Gräbern häufig Gefäße
mit Speiſe und Trank, Waffen, Werkzeuge, Haushaltungsgegenſtände,
Rafiermefier und andere Toileftengegenflände, Schmudfachen. Den Bor;
nehmen gab man dazu das Pferd, Sklaven und Sklavinnen, ſogar eine der
Ehefrauen oder Beiſchläferinnen mit, wie es die Funde im Leubinger und
Helmsdorfer Hügelgrabe beweiſen.
Die Furcht vor dem Doten mit ſeinen dämoniſchen Trieben veranlaßte
die Hinterbliebenen, den Toten fo zu verſcharren, daß ein Entweichen,
ein Wiederkommen unmöglih wäre. Man ſtampfte die Erde über ihm feſt,
beſchwerte die Leiche mit Steinen, fehichtete Steine oder Dorngeſtrüpp auf
die Toten. Als man zur Leichenbeſtattung überging, wandte man, wie die
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